Herman Nohl und die NS-Zeit
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IV. Zum Forschungsstand über <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong><br />
Für <strong>Nohl</strong> geht es um „Selbstbehauptung als Großmacht“ (<strong>Nohl</strong>, in: Weber 1979,<br />
S. 119). 198 Er geht davon aus, dass<br />
„<strong>die</strong> Behauptung unseres deutschen Wesens als einer Großmacht in der Welt ihr<br />
unerschütterliches Recht hat in dem Kulturwert des deutschen Geistes.“ (<strong>Nohl</strong>, in:<br />
Weber 1979, S. 119) 199<br />
Weber ordnet <strong>Nohl</strong> hier in jene „Ideen von 1914“ ein, deren Gr<strong>und</strong>these es ist, dass der<br />
Erste Weltkrieg um Ideen Willen geführt würde, „für <strong>die</strong> sich wahrhaft zu sterben<br />
lohnt“ (<strong>Nohl</strong>, in: Weber 1979, S. 120) 200 .<br />
Weber führt <strong>die</strong> inzwischen bekannten Passagen <strong>Nohl</strong>s, in denen er sich direkt positiv<br />
zum Nationalsozialismus äußert, relativ vollständig an <strong>und</strong> kritisiert auch <strong>die</strong> „verstehende<br />
Hermeneutik“ <strong>die</strong>ser Passagen als Apologie (Weber 1979, S. 338). 201 Festzuhalten<br />
gilt an <strong>die</strong>ser Stelle jedoch auch, dass Bernd Weber <strong>Nohl</strong> im Kontext mit Eduard<br />
Spranger analysiert, wobei Sprangers Positionen, insbesondere auch nach 1945, aus<br />
Sicht Webers der <strong>NS</strong>-Ideologie noch näher standen. 202<br />
198 <strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: Die Ideen in der auswärtigen Politik (1915), in: <strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: Pädagogische Aufsätze,<br />
2. vermehrte Auflage, Langensalza/Berlin/Leipzig 1929, S. 140.<br />
199 <strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: Die Ideen in der auswärtigen Politik (1915), in: <strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: Pädagogische Aufsätze,<br />
2. vermehrte Auflage, Langensalza/Berlin/Leipzig 1929, S. 140.<br />
200 <strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: Pädagogische <strong>und</strong> politische Aufsätze, Jena 1919. S. 80.<br />
201 Weber erklärt <strong>die</strong> zustimmenden Zitate zum <strong>NS</strong>-Regime nicht nur aus Anpassung, sondern geht davon<br />
aus, dass <strong>Nohl</strong>s Einschätzung lautete, „dass sein pädagogischer Impuls <strong>die</strong> Überwindung der ‚Parteiungen‘<br />
in einer ‚neuen Volksgemeinschaft‘ durch <strong>die</strong> Politik des <strong>NS</strong>-Faschismus seiner Verwirklichung<br />
näher gekommen sei“ (S. 338).<br />
202 In der <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>fragen <strong>Nohl</strong>scher Wissenschaftlichkeit betreffenden Stu<strong>die</strong> „Das Wissenschaftsverständnis<br />
in der geisteswissenschaftlichen Pädagogik. Dilthey, Litt, <strong>Nohl</strong>, Spranger“ (Stuttgart 1979) von<br />
Rolf Bernhard Huschke-Rhein ist <strong>die</strong> Ausgangsthese: „Die geisteswissenschaftliche Pädagogik ist <strong>die</strong><br />
klassische deutsche Pädagogik der letzten h<strong>und</strong>ert Jahre.“ (S. 18) Unter Verweis auf den h<strong>und</strong>ertsten<br />
Geburtstag <strong>Nohl</strong>s begründet <strong>die</strong> Arbeit ausführlich, dass der eigentliche <strong>und</strong> erste Schüler, der „Nachfolger“<br />
Diltheys nicht <strong>Nohl</strong>, sondern Litt sei. Dahinter steht <strong>die</strong> Einschätzung, dass <strong>die</strong> Unterschiedlichkeit<br />
der Positionen der im Titel genannten vier Personen so groß ist, dass „dadurch sogar <strong>die</strong> Konsistenz des<br />
Begriffs einer geisteswissenschaftlichen Pädagogik gefährdet scheint“. Die in Abgrenzung zu anderen<br />
Wissenschaftsansätzen, dem empirisch-analytischen Ansatz, der kritischen Theorie <strong>und</strong> der transzendental-normativen<br />
Position vorgenommene Positionierung der geisteswissenschaftlichen Richtung, versucht<br />
Huschke-Rhein sich auf ein „lebenspraktisch vermitteltes ‚Verstehen‘ “ (S. 401) zu konzentrieren. Hier<br />
nun konzentriert sich <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong> auf <strong>Nohl</strong>: „Niemand in der geisteswissenschaftlichen Pädagogik hat mit<br />
solcher Konsequenz wissenschaftliche Erkenntnis auf lebenspraktische Interessen zurückgeführt wie<br />
<strong>Nohl</strong>. (…) <strong>Nohl</strong> ist mehr noch als Spranger der eigentliche Mahner der geisteswissenschaftlichen<br />
Pädagogik vor einer Überschätzung der wissenschaftlichen Möglichkeiten des Menschen.“ (S. 407 f).<br />
Mehr als problematisch, hier aber nicht weiter zu verfolgen, ist <strong>die</strong> Einschätzung, dass <strong>Nohl</strong> mit seinem<br />
reduzierten Erkenntnisinteresse als Vorläufer etwa von Jürgen Habermas eingeschätzt werden könne<br />
(S. 408).<br />
Die 1980 erschienene Dissertation „Dialektik <strong>und</strong> Pädagogik. Das stillschweigend Vorausgesetzte des<br />
dialektischen Denkens in der pädagogischen Theorie <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong>s“ (Frankfurt am Main/Bern/<br />
Cirencester 1980) von Klaus Luttringer stellt einen Rückschritt dar: eine Qualifikationsarbeit, <strong>die</strong><br />
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