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Herman Nohl und die NS-Zeit

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II. Publikationen in der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong><br />

Die Gr<strong>und</strong>idee in seinem Nachwort, das er „Zwei Formen der Pädagogik“ nannte,<br />

besteht in der Gegenüberstellung der zwei Pole der Pädagogik, dem individuell-<br />

subjektiv-sokratischen <strong>und</strong> der am Ganzen, am Staat orientierten objektiv-platonischen<br />

Pädagogik. Hier ergeben sich zwei Fragen, da <strong>Nohl</strong> davon ausgeht, dass beide Aspekte<br />

immer zur Geltung kommen müssen. Die erste Frage ist <strong>die</strong> nach der prinzipiellen<br />

logischen Struktur <strong>und</strong> <strong>die</strong> zweite Frage betrifft den jeweiligen Akzent in bestimmten<br />

<strong>Zeit</strong>spannen. In <strong>die</strong>sem Nachwort wird klar, dass <strong>Nohl</strong> sowohl aus prinzipiellen Grün-<br />

den als auch aus aktuellen Gründen der „geschichtlichen St<strong>und</strong>e“ das Volk gegenüber<br />

dem Individuum favorisiert. Die typische <strong>NS</strong>-Parole „Du bist nichts, dein Volk ist alles“<br />

würde <strong>Nohl</strong> in seiner Absolutheit nicht akzeptieren. Wohl aber schreibt er:<br />

„Wir leben für uns, jeder einzelne für sich, dass er zu dem Genuss seines Daseins<br />

komme, zu seiner Entfaltung <strong>und</strong> zu seiner Überzeugung – <strong>und</strong> wir leben für unser<br />

Volk <strong>und</strong> für Werte, <strong>die</strong> höher sind als wir selber <strong>und</strong> für <strong>die</strong> wir uns opfern.“ (<strong>Nohl</strong>:<br />

Pädagogische Bewegung, 1935, S. 280)<br />

Es ist für <strong>Nohl</strong> <strong>die</strong> Schaffung des „nationaldeutschen Typus, der <strong>die</strong> solide Vorausset-<br />

zung für jede klare Individualität abgibt“. Und er formuliert drastisch: „(…) so gewinnt<br />

der Einzelne den Stil seiner Bildung schließlich nur aus dem Lebensstil seines Volkes“<br />

(<strong>Nohl</strong>: Pädagogische Bewegung, 1935, S. 281).<br />

Nachdem <strong>Nohl</strong> eigentlich <strong>die</strong> Beziehungen der beiden polaren Aspekte prinzipiell<br />

geklärt hat, fügt er hinzu: „Welche <strong>die</strong>ser Betrachtungsweisen aber jeweilig als <strong>die</strong><br />

entscheidende heraustritt, ist eine Frage des geschichtlichen Augenblicks“ (<strong>Nohl</strong>:<br />

Pädagogische Bewegung, 1935, S. 283). Klar ist für <strong>Nohl</strong>, der sich jetzt der Frage der<br />

pädagogischen Autonomie zuwendet, dass <strong>die</strong> geschichtliche St<strong>und</strong>e <strong>die</strong> platonische<br />

Form der Pädagogik erfordert. Er schreibt direkt anschließend:<br />

„Im Frühling 1933 schlug bei uns in Deutschland <strong>die</strong> Sokratische Form der Pädagogik<br />

in <strong>die</strong> Platonische um. Das Schibboleth gewissermaßen des Umbruchs wurde<br />

der Begriff der pädagogischen Autonomie. Wie plötzlich das geschah, dafür ist charakteristisch,<br />

dass ein Hochschullehrer, der im vorangegangenen Wintersemester<br />

noch eine Übung über <strong>die</strong>se Autonomie abgehalten <strong>und</strong> ihre Tragweite, wie leider<br />

meist, übertrieben hatte, sie in der Eröffnungsrede des Sommersemesters kreuzigte.<br />

Dabei kann sie als Struktureinsicht genau so wenig durch historische Entwicklungen<br />

unwahr gemacht werden, wie ein mathematischer Satz, wie sie ja auch kein Ergebnis<br />

der bloßen individuellen Überlegung ist, sondern eine Offenbarung des sich entfaltenden<br />

Lebens. Nur ihre politische Bedeutung hatte sich gewandelt! Wie <strong>die</strong> Reichswehr,<br />

so hatte sich auch <strong>die</strong> Erziehung dadurch aus dem Kampf der Gegensätze zu<br />

retten gesucht, dass sie sich konsequent an ihre eigenste Aufgabe hielt <strong>und</strong> gerade<br />

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