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Herman Nohl und die NS-Zeit

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IV. Zum Forschungsstand über <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong><br />

Es sei <strong>die</strong> Frage hinzugefügt, ob nicht mehrere der angeführten Möglichkeiten gleich-<br />

zeitig zutreffen <strong>und</strong> ob <strong>Nohl</strong>s Liberalität nicht bei Kriegsbegeisterung, Trommeln,<br />

Staatsgläubigkeit <strong>und</strong> Religion sehr enge Grenzen hatte.<br />

Blankertz geht nun auf <strong>die</strong> wichtige Diskussion über <strong>die</strong> <strong>NS</strong>-Pädagogik als negative<br />

Form der Pädagogik oder Unpädagogik ein, eine Diskussion, <strong>die</strong> wir hier nicht weiter<br />

verfolgen können. 204<br />

Heinrich Kupffer untersucht 1984, inwieweit „Der Faschismus <strong>und</strong> das Menschenbild<br />

der deutschen Pädagogik“ 205 zusammenhängen <strong>und</strong> geht im Kapitel „Hitler <strong>und</strong> <strong>Nohl</strong>“<br />

(Kupffer 1984, S. 124 ff.) vor allem auf <strong>Nohl</strong>s Haltung in den Jahren nach dem Ersten<br />

Weltkrieg bis zum Beginn der <strong>NS</strong>-Herrschaft ein. Es ist verständlich, dass sich Kupffer<br />

weder mit der Kapitelüberschrift noch mit seinen sehr kritischen Ausführungen über<br />

<strong>Nohl</strong> in der sogenannten Göttinger Schule allzu viele Fre<strong>und</strong>e gemacht hat. 206 Diese<br />

zweih<strong>und</strong>ert Seiten umfassende Schrift erschien zudem als Fischer Taschenbuch <strong>und</strong><br />

entfaltete eine entsprechende Wirkungsgeschichte. Kupffers Gr<strong>und</strong>these ist:<br />

128<br />

„Die Hauptströmung der deutschen Pädagogik verfährt unkritisch, weil sie im<br />

Gr<strong>und</strong>e eine Pädagogik für Untertanen ist.“ (Kupffer 1984, S. 129)<br />

204<br />

Siehe hierzu genauer: Ortmeyer, Benjamin: Schicksale jüdischer Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler in der <strong>NS</strong>-<br />

<strong>Zeit</strong> – Leerstellen deutscher Erziehungswissenschaft? B<strong>und</strong>esrepublikanische Erziehungswissenschaften<br />

(1945/49–1995) <strong>und</strong> <strong>die</strong> Erforschung der nazistischen Schule, Witterschlick/Bonn 1998, Teil B III: <strong>NS</strong>-<br />

Pädagogik <strong>und</strong> „Unpädagogik“, S. 499 ff. Zu Blankertz siehe auch S. 426 ff.<br />

205<br />

Kupffer, Heinrich: Der Faschismus <strong>und</strong> das Menschenbild der deutschen Pädagogik, Frankfurt am Main<br />

1984.<br />

206<br />

Das trifft auch auf Heinz-Elmar Tenorth zu, der Kupffer vorwirft „gerade am Beispiel <strong>Nohl</strong>s“ unter<br />

anderem „<strong>die</strong> Differenz zwischen Faschismus <strong>und</strong> bürgerlicher Tradition“ wieder zugedeckt zu haben<br />

(Tenorth, Heinz-Elmar: Zur deutschen Bildungsgeschichte 1918–1945. Probleme, Analysen <strong>und</strong> politisch-pädagogische<br />

Perspektiven, Köln/Wien 1985, S. 218). Ausgangspunkt von Tenorths Stu<strong>die</strong> ist, dass<br />

sich „über Erziehung <strong>und</strong> ihre Theorie vor 1933 nur noch mit <strong>Nohl</strong>s großer Analyse diskutieren“ (Tenorth<br />

1985, S. 18) lasse. Gemeint ist hier <strong>Nohl</strong>s Schrift zur Pädagogischen Bewegung in Deutschland.<br />

Offensichtlich ebenfalls als Reaktion auf das Buch Kupffers schreibt Helmut Richter, ohne jedoch direkt<br />

auf Kupffer einzugehen: „Dass <strong>Nohl</strong> ein Faschist in Perspektive Auschwitz gewesen sei, das kann ihm so<br />

wenig wie Litt unterstellt werden.“ (Richter, Helmut: (Sozial-)Pädagogik <strong>und</strong> Faschismus. Anfragen zu<br />

Kontinuität <strong>und</strong> Diskontinuität, in: Otto, Hans-Uwe/Sünker, Heinz (Hrsg.): Soziale Arbeit <strong>und</strong> Faschismus.<br />

Volkspflege <strong>und</strong> Pädagogik im Nationalsozialismus, Bielefeld 1986, S. 94) In einem Abschnitt mit<br />

der Überschrift „Zur Kontinuität der Nationalerziehung“ betonte Richter ausdrücklich, dass es in der<br />

geisteswissenschaftlichen Pädagogik <strong>Nohl</strong>s eine Mischung aus Rassismus <strong>und</strong> Sozialdarwinismus<br />

sicherlich nicht gegeben habe (Richter 1986, S. 102). Man muss Richter hier jedoch zugute halten, dass er<br />

<strong>Nohl</strong>s Vorlesungsmanuskript von 1933/34 offensichtlich nicht kannte. Unakzeptabel ist jedoch, dass er<br />

auch einen solchen Zusammenhang selbst in Kenntnis von <strong>Nohl</strong>s Buch „Charakter <strong>und</strong> Schicksal“ (1938)<br />

verneint. Dennoch sieht Richter, dass <strong>die</strong> geisteswissenschaftliche Pädagogik <strong>Nohl</strong>s in den Begriffen von<br />

Volksgemeinschaft <strong>und</strong> Volkskultur „<strong>die</strong> Implikation des Rassebegriffs“ (Richter 1986, S. 112) vorwegnahm.<br />

Der Sammelband „Soziale Arbeit <strong>und</strong> Faschismus“ insgesamt ist trotz der genannten Schwächen<br />

von großer Bedeutung, insbesondere für <strong>die</strong> Sozialpädagogik.

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