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Herman Nohl und die NS-Zeit

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IV. Zum Forschungsstand über <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong><br />

nachfolgenden Passage zu verstehen, zitiert Blochmann aus einem Brief <strong>Nohl</strong>s an<br />

seinen akademischen Schüler <strong>Herman</strong>n Ebstein von 1936, der sich entschlossen hatte,<br />

nach Palästina auszuwandern: „Der Mensch muss eine Heimat haben <strong>und</strong> ein Volk, das<br />

im Guten wie im Bösen das seine ist.“ (<strong>Nohl</strong>, in: Blochmann 1969, S. 164) Es ist<br />

einerseits ein Dokument der Hinwendung <strong>Nohl</strong>s zu seinem jüdischen Doktoranden,<br />

andererseits enthält es als reale Möglichkeit aber auch den völkischen Gedanken, dass<br />

<strong>Nohl</strong> <strong>die</strong> deutschen Juden nicht als Teil des deutschen Volkes ansieht, so wie auch Ernst<br />

Krieck den Juden 1933 <strong>die</strong> Ausreise nach Palästina empfohlen hatte. 176<br />

Blochmann kannte sehr genau das Vorlesungsmanuskript <strong>Nohl</strong>s von 1933/34. <strong>Nohl</strong><br />

hatte mit <strong>die</strong>ser Vorlesung 177 ihrer Ansicht nach versucht, seinen Studenten „zu zeigen,<br />

wie sie auch unter den veränderten Umständen <strong>und</strong> unter Anerkennung bestimmter<br />

neuer Prinzipien pädagogisch verantwortlich <strong>und</strong> sinnvoll arbeiten könn-<br />

ten“ (Blochmann 1969, S. 170). An Stelle einer Kritik <strong>die</strong>ses Versuchs trägt Blochmann<br />

das bemerkenswerte, teilweise auch bemerkenswert unkritische Lob von Theodor Litt<br />

vor, dem <strong>Nohl</strong> das Manuskript 1940 zur Kritik übersandt hatte. Litt antwortete Ende<br />

1940, <strong>Nohl</strong> sei es in <strong>die</strong>ser Vorlesung gelungen, seine „eigene Haltung zu wahren <strong>und</strong><br />

dabei doch das Anerkennenswerte in dem Neuen zu würdigen <strong>und</strong> einzubauen“<br />

(Blochmann 1969, S. 171). Litt kritisierte allerdings auch in äußerst höflicher, ja<br />

galanter Form, wie Blochmann darstellt, nicht zu Unrecht <strong>die</strong>ses zu große Vertrauen<br />

<strong>Nohl</strong>s „in das Neue“, sprich in den Nationalsozialismus.<br />

An Erika Hoffmann, so dokumentiert Blochmann, schrieb <strong>Nohl</strong> kurz vor Ausbruch des<br />

Zweiten Weltkriegs (27.8.1939):<br />

„Wenn der Krieg wirklich kommt (…), dann kann man nur an seiner Stelle still sein<br />

<strong>und</strong> seine Pflicht tun <strong>und</strong> mit dem nächsten Menschen so fre<strong>und</strong>lich <strong>und</strong> innig sein,<br />

wie es einem möglich ist.“ (<strong>Nohl</strong>, in: Blochmann 1969, S. 182)<br />

Hier wird von <strong>Nohl</strong> im Keim ein Programm des Stillhaltens <strong>und</strong> der Pflichterfüllung<br />

vorgestellt, das eine f<strong>und</strong>amentale Absage an Widerstand <strong>und</strong> humanitäres Handeln<br />

enthält. Gerechterweise soll an <strong>die</strong>ser Stelle jedoch vermerkt werden, dass <strong>Herman</strong><br />

176 Vgl. Krieck, Ernst: Die Judenfrage, in: Volk im Werden. <strong>Zeit</strong>schrift für Kulturpolitik, 1. Jg. (1933),<br />

S. 57–63, abgedruckt in: Brumlik, Micha/Ortmeyer, Benjamin (Hrsg.): Erziehungswissenschaft <strong>und</strong><br />

Pädagogik in Frankfurt – eine Geschichte in Portraits. 90 Jahre Johann Wolfgang Goethe-Universität,<br />

Frankfurt am Main 2006, S. 61–66.<br />

177 <strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: Die Gr<strong>und</strong>lagen der nationalen Erziehung. Eine Vorlesung zum Wintersemester<br />

1933/34 (Typoskript), ohne Ort, ohne Jahr (Göttingen 1940).<br />

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