30.01.2013 Aufrufe

Herman Nohl und die NS-Zeit

Herman Nohl und die NS-Zeit

Herman Nohl und die NS-Zeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

III. Nach 1945<br />

92<br />

einseitig nach außen gewiesen, so wollen wir sie wieder nach innen lenken <strong>und</strong> zur<br />

Sammlung führen, aus der allein neue Kräfte kommen können. Wir wenden uns vor<br />

allem an <strong>die</strong> Lehrer, <strong>die</strong> heute eine Mission bekamen, wie zu keiner anderen <strong>Zeit</strong> in<br />

der Geschichte unserer Nation, <strong>und</strong> wollen ihnen <strong>die</strong> Mittel für <strong>die</strong> neue Arbeit bereitstellen,<br />

darüber hinaus aber alle Menschen sammeln, <strong>die</strong> guten Willens sind <strong>und</strong><br />

der gewaltlosen Macht des Geistes vertrauen.“ (<strong>Nohl</strong>: Geleitwort, 1945, S. 2)<br />

Analysiert man <strong>die</strong>se Zeilen, so sind folgende Gesichtspunkte festzuhalten: Erstens<br />

ergibt sich <strong>die</strong> Frage, wer „unser Volk“ ist. Der ganze Text, insbesondere <strong>die</strong> Passage,<br />

„dass auch uns einmal wieder <strong>die</strong> Sonne der Ehre <strong>und</strong> des Glücks scheinen werde“, geht<br />

nach wie vor von der Einheitlichkeit <strong>die</strong>ses deutschen Volkes aus. Es ist keinesfalls eine<br />

Spitzfindigkeit, hier <strong>die</strong> Fortsetzung der Idee der Volksgemeinschaft zu sehen <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

einfache Frage zu stellen, ob <strong>die</strong> Überlebenden des Völkermords, ob <strong>die</strong> Überlebenden<br />

des politischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus sich in solchen Formulierungen<br />

wiederfinden können oder nicht. Der „graue Morgen unserer Zukunft“ beschwört<br />

ebenfalls <strong>die</strong>ses falsche Wir-Gefühl <strong>und</strong> <strong>die</strong> Frage bleibt, ob der Morgen in<br />

seiner Färbung nicht doch recht verschieden ist, für <strong>die</strong> <strong>NS</strong>-Verbrecher einerseits <strong>und</strong><br />

für <strong>die</strong> Gegner, <strong>die</strong> Verfolgten des <strong>NS</strong>-Regimes andererseits. Jene im Widerstand, <strong>die</strong><br />

nicht nur vom „Kompass der einfachen Sittlichkeit“ redeten, wie <strong>die</strong> Geschwister<br />

Scholl, Adolf Reichwein <strong>und</strong> manche andere, können zu <strong>Nohl</strong> nicht mehr Stellung<br />

nehmen.<br />

Die Pointe <strong>die</strong>ses Absatzes mit seiner pathetisch-primitiven Inhaltsleere (selbst <strong>die</strong><br />

Phrase, dass <strong>die</strong> Lehrer wieder eine „Mission“ bekommen, durfte nicht fehlen) ist<br />

zweifellos <strong>die</strong> Art <strong>und</strong> Weise, wie der Rückblick ins Auge gefasst wird:<br />

„Der Rückblick auf <strong>die</strong> Vergangenheit wird sich nicht vermeiden lassen (…)“<br />

In <strong>die</strong>ser Formulierung schwingt einerseits eine Kritik an jenen <strong>Zeit</strong>genossen mit, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong>sen Rückblick überhaupt ablehnen. So weit, so gut. An sie wendet sich <strong>Nohl</strong> <strong>und</strong><br />

versucht, <strong>die</strong>sen Rückblick als zwar unangenehm, aber unvermeidbar darzustellen, wie<br />

eine unangenehme Pflicht, eine lästige Notwendigkeit, <strong>die</strong> man hinter sich bringen<br />

muss:<br />

„(…) aber unser Wille ist entschlossen nach vorwärts gerichtet (…).“<br />

Noch ein Wort zu der „Mission der Lehrer“: 1932 hat <strong>Nohl</strong> ohne Not <strong>die</strong> Erzieher dazu<br />

aufgefordert, einen positiven Kern im Nationalsozialismus zu bejahen, statt <strong>die</strong> Situation<br />

demokratischer Verhältnisse in der Weimarer Republik zu nutzen, um mit pädagogi-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!