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Herman Nohl und die NS-Zeit

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II. Publikationen in der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong><br />

64<br />

darüber, ob <strong>die</strong> Körperzellen des Volksganzen auf natürlichem Wege ersetzt <strong>und</strong><br />

vermehrt werden. Der Kinderspielplatz entscheidet, ob sie auf nachgeburtlichem<br />

Wege vermehrt oder vermindert werden, indem eine Sprache sich als stärker erweist<br />

als <strong>die</strong> andere <strong>und</strong> aus dem ursprünglichen Bereich fremde Volkstumszellen zu sich<br />

herüberziehen. Das Menschtier an sich ist neutral, kann als Körperzelle zu verschiedenem<br />

Volkstum gehören.‘ “ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 64) 100<br />

<strong>Nohl</strong> vermeidet trotz anderer Aktentsetzung <strong>die</strong> direkte Konfrontation mit rein rassen-<br />

biologischen Ansätzen <strong>und</strong> formuliert wieder <strong>die</strong> Gegensätze ausgleichend <strong>und</strong> synthe-<br />

tisierend: „Die Spracheinheit vollendet erst <strong>die</strong> biologische Rassenmischung zu dem<br />

nationaldeutschen Typus, den wir suchen.“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 65)<br />

Nachdem <strong>Nohl</strong> einige Ausführungen über das unterschiedliche Anwachsen der Spra-<br />

chen in Europa dargestellt <strong>und</strong> das Verhältnis der M<strong>und</strong>arten zur deutschen Hochspra-<br />

che <strong>und</strong> der Rolle der Bibelübersetzung Luthers dabei referiert hat, mahnt er dennoch<br />

den Gebrauch der Volkssprache an <strong>und</strong> warnt vor dem Fremdwort. <strong>Nohl</strong> betätigt sich<br />

hier als „Warner“, als „Mahner“:<br />

„Es ist eine Lebensfrage unserer Bildung, dass sie mit ihrer Sprache in Dichtung,<br />

Wissenschaft <strong>und</strong> Predigt den Zusammenhang mit der Volkssprache nicht verliert,<br />

nicht bloß, weil sie sonst vom Volk nicht mehr verstanden wird <strong>und</strong> sich damit von<br />

ihm trennt, sondern weil sie auch selbst durch solche Abspaltung abstrakt wird. Das<br />

Blut kreist dann nicht mehr im geistigen Volkskörper. Das Überwuchern des<br />

Fremdwortes ist da nur <strong>die</strong> äußerste Zuspitzung.“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 71,<br />

Hervorhebung im Original)<br />

So endet das vierte Kapitel im Trivialen, im deutschtümlerischen Jargon des Beginns<br />

des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts. 101<br />

Im fünften Kapitel über <strong>die</strong> Heimat, dem vielleicht schwächsten der ganzen Vorlesung,<br />

erfährt man im Gr<strong>und</strong>e nichts, was an Theorie oder Geisteswissenschaft anknüpft.<br />

Auffallend in <strong>die</strong>sem Loblied auf <strong>die</strong> Heimat sind lediglich zwei Punkte.<br />

Behauptet wird eine „germanische Kraft des Wanderns“:<br />

100 <strong>Nohl</strong> nennt hier keine Quelle. Es handelt sich um: Schmidt-Rohr, Georg: Unsere Muttersprache als<br />

Waffe <strong>und</strong> Werkzeug des deutschen Gedankens (Tat-Flugschriften, Band 20), Jena 1917 <strong>und</strong> Schmidt-<br />

Rohr, Georg: Mutter Sprache. Vom Amt der Sprache bei der Volkswerdung (Schriften der Deutschen<br />

Akademie, Band 12), 2. Auflage, Jena 1933.<br />

101 Clemens Knobloch hat einen forschungsorientierten Überblick („Die deutsche Sprachwissenschaft im<br />

Nationalsozialismus“, in: Kritische Ausgabe. <strong>Zeit</strong>schrift für Germanistik <strong>und</strong> Literatur, Jg. 2004, Heft 2,<br />

S. 42–47) vorgestellt. Auch in seinem Vortrag „Sprache als Gewalt“, als Manuskript veröffentlicht von der<br />

Ludwig Maximilian-Universität München <strong>und</strong> dem Goethe-Institut (http://www.goethe.de/mmo/priv/<br />

1510982-standard.pdf, eingesehen am 11.12.06) beschreibt er <strong>die</strong> seit 1917 existierenden Anstrengungen<br />

von Schmidt-Rohr, eine mystische Bedeutung der deutschen Sprache im Kontext der diversen Sprachkampagnen<br />

seit Arndt <strong>und</strong> Fichte zu verankern.

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