Herman Nohl und die NS-Zeit
Herman Nohl und die NS-Zeit
Herman Nohl und die NS-Zeit
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
IV. Zum Forschungsstand über <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong><br />
gischen Tradition <strong>und</strong> ihrer f<strong>und</strong>amentalen Kritik“ (Dudek 1995, S. 46) <strong>und</strong> orientiert<br />
sich dabei an Tenorth. Er warnt vor einem „Verzicht auf Forschung“ durch bloße<br />
Aburteilung (Dudek 1995, S. 56). Die vielleicht entscheidende theoretische Leistung<br />
Dudeks, <strong>die</strong> er insbesondere an der Analyse der Lehrbücher zur Geschichte der Pädagogik<br />
nach 1945 entwickelt, ist, dass er <strong>die</strong> Denkfigur des Verführten, Geblendeten <strong>und</strong><br />
Missgeleiteten identifiziert <strong>und</strong> als „Missbrauch-Theorem“ (Dudek 1995, S. 58) kennzeichnet.<br />
Dudek zitiert <strong>die</strong> bekannten Passagen <strong>Nohl</strong>s zur <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> nach 1945, erinnert aber auch<br />
daran, dass es vor allem <strong>Nohl</strong> <strong>und</strong> Weniger in Göttingen gewesen sein sollen, <strong>die</strong> den<br />
Rücktritt des niedersächsischen Erziehungsministers Schlüter erzwangen. Schlüter war<br />
zunächst rechtsextremer Verleger <strong>und</strong> Aktivist der Deutschen Rechtspartei <strong>und</strong> ab 1955<br />
Mitglied der FDP (Dudek 1995, S. 73 f.). Als Konsequenz aus den Erfahrungen mit<br />
dem <strong>NS</strong>-Regime sieht Dudek bei <strong>Nohl</strong> den Rückgriff auf Pestalozzi <strong>und</strong> seine „Wohnstubenerziehung“,<br />
orientiert an der Familienidylle (Dudek 1995, S. 107 f.). Eine Konfrontation<br />
der Nachkriegspublikationen <strong>Nohl</strong>s mit seinen entscheidenden Werken aus<br />
der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> findet dagegen bei Dudek nicht wirklich statt – das ist ein entscheidender<br />
Kritikpunkt.<br />
Hasko Zimmer hat in den 1990er Jahren drei Beiträge zur Einschätzung <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong>s<br />
verfasst. In seinem Aufsatz „Die Hypothek der Nationalpädagogik“ 224 aus dem Jahr<br />
1995 analysiert Zimmer nicht nur <strong>die</strong> bekannten Passagen <strong>Nohl</strong>s aus der Weimarer<br />
Republik <strong>und</strong> den ersten Jahren des <strong>NS</strong>-Regimes sowie <strong>die</strong> Passagen nach 1945,<br />
sondern geht erstmals auf <strong>die</strong> Vorlesung <strong>Nohl</strong>s von 1933/34 ein. Nun steht bei der<br />
Debatte um den Geisteswissenschaftler <strong>Nohl</strong> seine Positionierung als Rassentheoretiker<br />
<strong>und</strong> Eugeniker an, wobei Zimmer hervorhebt, dass <strong>Nohl</strong> mit seinen rassistischen<br />
Tiraden durchaus an rassistische Diskurse in der Weimarer Republik anknüpft.<br />
In dem ein Jahr später erschienenen Beitrag „Pädagogik, Kultur <strong>und</strong> nationale Identität“<br />
225 geht es vor allem um das Projekt einer „deutschen Bildung“ bei <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong>,<br />
224 Zimmer, Hasko: Die Hypothek der Nationalpädagogik. <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong>, der Nationalsozialismus <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />
Pädagogik nach Auschwitz, in: Beutler, Kurt/Wiegmann, Ulrich (Red.): Auschwitz <strong>und</strong> <strong>die</strong> Pädagogik<br />
(Jahrbuch für Pädagogik 1995), Frankfurt am Main/Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1995, S. 87–114.<br />
225 Zimmer, Hasko: Pädagogik, Kultur <strong>und</strong> nationale Identität. Das Projekt einer „deutschen Bildung“ bei<br />
Rudolf Hildebrand <strong>und</strong> <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong>, in: Auernheimer, Georg/Gstettner, Peter (Red.): Pädagogik in<br />
137