Herman Nohl und die NS-Zeit
Herman Nohl und die NS-Zeit
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III. Nach 1945<br />
Hier wird deutlich, dass <strong>die</strong> Pädagogik als Ganzes für <strong>Nohl</strong> „das Gute“ ist, insofern<br />
kann von einer Schuld der Pädagogik für <strong>Nohl</strong> nicht <strong>die</strong> Rede sein. Welche Aufgaben<br />
<strong>die</strong> Pädagogik nicht erfüllt hat, bleibt völlig offen, <strong>die</strong> sogenannte „echt pädagogische“<br />
Arbeit in den <strong>NS</strong>-Formationen wird ihrer objektiven Funktion völlig entkleidet.<br />
Nach der Rehabilitierung der deutschen Pädagogik als solcher – fünf Jahre nach Grün-<br />
dung der BRD – gibt <strong>Nohl</strong> seine Zurückhaltung auf. Er polemisiert nun ungehemmt<br />
gegen Psychoanalyse <strong>und</strong> Reeducation, nachdem er – oft zitiert – festgestellt hat:<br />
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„Die Pädagogik steht immer vor der Polarität des Lebens. Zwischen den Gegensätzen<br />
<strong>die</strong> feine Linie zu finden, <strong>die</strong> dem Augenblick angemessen ist, ist das eigentliche<br />
Geheimnis der pädagogischen Arbeit. (…) Das feine Gefühl für das richtige Maß<br />
nennen wir den Takt. Der Takt ist das eigentlich pädagogische Werkzeug.“ (<strong>Nohl</strong>:<br />
Schuld <strong>und</strong> Aufgabe, 1954, S. 449)<br />
Mit <strong>die</strong>sem feinen Taktgefühl schreibt <strong>Nohl</strong> über <strong>die</strong> Reeducation:<br />
„Der w<strong>und</strong>erliche Versuch der Besatzungsmächte mit einer Reeducation unseres<br />
Volkes konnte nur Widerstand oder ein trauriges Lächeln hervorrufen, brachte auch<br />
mit seinen methodischen Forderungen wie dem Gruppenunterricht, dem Teamwork<br />
<strong>und</strong> der Erziehungsberatung nur pädagogische Mittel, <strong>die</strong> in der pädagogischen<br />
Bewegung bei uns längst entwickelt worden waren.“ (<strong>Nohl</strong>: Schuld <strong>und</strong> Aufgabe,<br />
1954, S. 447)<br />
Die Pose, in der <strong>Nohl</strong> hier auftritt, spricht Bände. Er war wieder ganz oben, der deutschen<br />
Pädagogik konnte niemand das Wasser reichen, es gehe, so <strong>Nohl</strong>, nur darum, <strong>die</strong><br />
deutsche Bewegung, <strong>die</strong> pädagogische Bewegung im Sinne <strong>Nohl</strong>s zu reaktivieren.<br />
Hatte <strong>Nohl</strong> in der Weimarer Republik Freud <strong>und</strong> Adler noch <strong>die</strong>sen oder jenen positiven<br />
Aspekt abgewinnen können, auch wenn seine Ablehnung damals schon überwogen hat,<br />
so fallen jetzt alle Hemmungen: „Die Schule möchte man am liebsten in ein psychotherapeutisches<br />
Krankenhaus verwandeln.“ (<strong>Nohl</strong>: Schuld <strong>und</strong> Aufgabe, 1954, S. 448) Und<br />
ganz allgemein heißt es:<br />
„Und das Überwuchern der Psychoanalyse droht alle Freiheit des Geistes zu überwachsen.<br />
Man hat nicht ohne Gr<strong>und</strong> gesagt, dass sie selbst <strong>die</strong> Krankheit sei, <strong>die</strong> sie<br />
zu heilen vorgibt.“ (<strong>Nohl</strong>: Schuld <strong>und</strong> Aufgabe, 1954, S. 448)<br />
* * *<br />
Betrachtet man zusammenfassend <strong>die</strong> hier behandelten Aufsätze <strong>und</strong> Artikel <strong>Herman</strong><br />
<strong>Nohl</strong>s nach dem Mai 1945, so ergibt sich auch für <strong>die</strong>se Periode ein durchaus widersprüchliches<br />
Bild: Während es für eine kurze <strong>Zeit</strong> eine Bereitschaft zu geben scheint,<br />
kritisch auch <strong>die</strong> geistigen Köpfe des deutschen Nationalismus <strong>und</strong> der deutschen