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Herman Nohl und die NS-Zeit

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I. Gr<strong>und</strong>positionen <strong>und</strong> Hauptwerke<br />

schienenen gewichtigen Beiträgen <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong>s im Teil C der vorliegenden Arbeit<br />

gesondert zu behandeln.<br />

Der Inhalt <strong>die</strong>ses Beitrags überrascht insofern, als in ihm – ungewöhnlich für <strong>Nohl</strong> – ein massiver<br />

Rückgriff auf Aristoteles erfolgt, um den Gedanken der Mitte am Beispiel des Bürgers, des Mittelstandes,<br />

herauszuarbeiten. <strong>Nohl</strong> stellt das heroische Leben <strong>und</strong> das bürgerliche Leben gegenüber <strong>und</strong> wehrt sich<br />

dagegen, dass „seit der nationalsozialistischen Revolution“ das Heroische verabsolutiert wird (<strong>Nohl</strong>:<br />

Dreißig Jahre, 1949, S. 245). Ihm geht es um <strong>die</strong> Vereinigung beider Aspekte. Ausführlich lässt er nun<br />

Aristoteles mit seiner Schrift „Politik“, Abschnitt IV (Aristoteles: Politik, 7. Auflage, München 1996,<br />

S. 136 ff.) zu Wort kommen, um <strong>die</strong> Bedeutung des „mesos“, des Mittleren im Allgemeinen <strong>und</strong> des<br />

Mittelstands im Besonderen zu begründen. Auch wenn bei <strong>Nohl</strong> hier der gewichtige Unterschied<br />

zwischen mittelmäßig <strong>und</strong> angemessen verschwimmt, der ein Kernpunkt der genau gelesenen Ausführungen<br />

des Aristoteles über Tugend bildet <strong>und</strong> den Aristoteles ausdrücklich betont – so wird grob gesprochen<br />

dennoch immerhin <strong>die</strong> Tugend als Mitte zwischen den Extremen festgeschrieben.<br />

Von Gewicht für <strong>die</strong> Frage, ob eine Tugend auch voraussetzt, Widerstand gegen Ungerechtigkeit zu<br />

leisten, ist <strong>die</strong> <strong>Nohl</strong>’sche Interpretation, dass <strong>die</strong> Tugend angeblich nicht „über <strong>die</strong> Kräfte des gewöhnlichen<br />

Menschen“ (<strong>Nohl</strong>: Dreißig Jahre, 1949, S. 250) hinausgehen dürfe. Diese Passage richtet sich auch<br />

an <strong>die</strong> Mitglieder der „<strong>Nohl</strong>-Schule“. Wer ist in der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> 1937 der „gewöhnliche Mensch“? Die<br />

Ablehnung des Heroischen kann sich hier auch gegen <strong>die</strong> Notwendigkeit richten, Widerstand gegen den<br />

<strong>NS</strong>-Staat zu leisten. Die an anderer Stelle formulierte These, dass es heroisch sei, „an den Kamin“<br />

zurückzukehren, erhält in <strong>die</strong>ser Lesart eine Rechtfertigung des Nichtstuns <strong>und</strong> Zusehens angesichts des<br />

himmelschreienden Unrechts in der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong>.<br />

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