Herman Nohl und die NS-Zeit
Herman Nohl und die NS-Zeit
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I. Gr<strong>und</strong>positionen <strong>und</strong> Hauptwerke<br />
Verein für Sozialpolitik). Als „fünfte geistige Energie“ nennt <strong>Nohl</strong> <strong>die</strong> Gemeinschafts-<br />
kraft der jugendlichen Verbindungen (<strong>Nohl</strong>: Dreißig Jahre, 1949, S. 139). Er folgert:<br />
32<br />
„In <strong>die</strong> Jugendwohlfahrtsarbeit gehen nun alle <strong>die</strong>se Bewegungen ein, <strong>die</strong> sozialistische,<br />
<strong>die</strong> innere Mission, <strong>die</strong> Frauenbewegung, <strong>die</strong> Sozialpolitik, <strong>die</strong> Jugendbewegung<br />
<strong>und</strong> <strong>die</strong> pädagogische Bewegung. Keine von ihnen ist entbehrlich, denn jede<br />
hebt einen Bezug des neuen Lebens ans Licht.“ (<strong>Nohl</strong>: Dreißig Jahre, 1949, S. 139)<br />
Als abschließenden pädagogischen Ethos ruft <strong>Nohl</strong> – sozusagen als Basis des „pädago-<br />
gischen Bezugs“ – aus:<br />
„(…) man will dich nicht werben für eine Partei, für eine Kirche, auch nicht für den<br />
Staat, sondern – der Unterschied ist so gering, wie wenn man <strong>die</strong> Hand umdreht, <strong>und</strong><br />
ist doch entscheidend – <strong>die</strong>se Hilfe gilt zunächst <strong>und</strong> vor allem dir, deinem einsamen<br />
Ich, deinem verschütteten, hilferufenden Menschentum.“ (<strong>Nohl</strong>: Dreißig Jahre, 1949,<br />
S. 142)<br />
Bemerkenswert an <strong>die</strong>ser Passage ist, neben der peinlichen Pathetik, <strong>Nohl</strong>s Betonung –<br />
allerdings eingeschränkt durch das Wörtchen „zunächst“ – „auch nicht für den Staat“.<br />
Es wird darauf zu achten sein, ob es bei <strong>Nohl</strong> nicht einfach darum geht, „zunächst“<br />
Vertrauen zu gewinnen, um dann das Individuum der Gemeinschaft umso besser<br />
unterordnen zu können.<br />
Der abgedruckte Vortrag „Der männliche Sozialbeamte <strong>und</strong> <strong>die</strong> Sozialpädagogik in<br />
der Wohlfahrtspflege“ (1926) 61 klärt mehr über <strong>Nohl</strong>s Männlichkeitsvorstellungen auf<br />
als über <strong>die</strong> Sozialarbeit. Man erfährt lediglich etwas über den männlichen Sozialarbeiter:<br />
„(…) <strong>die</strong>se soziale Arbeit trägt auch das Schwert an der Seite!“ (<strong>Nohl</strong>: Dreißig<br />
Jahre, 1949, S. 146, Hervorhebung im Original). 62<br />
„Die Machtrealität des höheren Lebens“<br />
Gewichtiger hingegen ist der veröffentlichte Vortrag „Gedanken für <strong>die</strong> Erziehungs-<br />
tätigkeit des Einzelnen mit besonderer Berücksichtigung der Erfahrungen von<br />
Freud <strong>und</strong> Adler“ (1926). 63 Hier betont <strong>Nohl</strong>, dass <strong>die</strong> Pädagogik<br />
61 <strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: Der männliche Sozialbeamte <strong>und</strong> <strong>die</strong> Sozialpädagogik in der Wohlfahrtspflege (1926),<br />
in: <strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: Pädagogik aus dreißig Jahren, Frankfurt am Main 1949, S. 143–150. Vortrag auf der<br />
Tagung des B<strong>und</strong>es Deutscher Sozialbeamter in Berlin am 21. Mai 1926, zuerst erschienen in: <strong>Nohl</strong>,<br />
<strong>Herman</strong>: Jugendwohlfahrt. Sozialpädagogische Vorträge, Leipzig 1927, S. 14–24.<br />
62 Mehr ins Zoologische <strong>und</strong> unfreiwillig Humoristische geht <strong>die</strong> Vorwegnahme von Konrad Lorenz in<br />
folgender Passage: „Wo in Wahrheit <strong>die</strong> soziale Funktion des männlichen Wesens zu finden ist, zeigt<br />
jedes Hühnervolk oder irgendeine andere Tiergruppe. (…) Ich erinnere an das Verhalten des Hahns beim<br />
Futtersuchen der Hennen.“ <strong>Nohl</strong> nennt so etwas „Ritterlichkeit“ (<strong>Nohl</strong>: Dreißig Jahre, 1949, S. 144 f.)<br />
63 <strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: Gedanken für <strong>die</strong> Erziehungstätigkeit des Einzelnen mit besonderer Berücksichtigung<br />
der Erfahrungen von Freud <strong>und</strong> Adler (1926), in: <strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: Pädagogik aus dreißig Jahren, Frankfurt