Herman Nohl und die NS-Zeit
Herman Nohl und die NS-Zeit
Herman Nohl und die NS-Zeit
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
II. Publikationen in der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong><br />
Tenor geht es weiter: „Unsere ganze Bildungsarbeit ist bisher fast ausschließlich<br />
humanistisch-faustisch gewesen“ (<strong>Nohl</strong>: Osthilfe, 1933, S. 61). Tatsächlich propagiert<br />
<strong>Nohl</strong> folgerichtig als notwendige polare Ergänzung auch <strong>die</strong> Bedeutung der „Garten-<br />
pflege <strong>und</strong> Kleintierzucht“ für <strong>die</strong> Volksbildung (<strong>Nohl</strong>: Osthilfe, 1933, S. 63).<br />
<strong>Nohl</strong> fasst vier Gr<strong>und</strong>bedingungen seiner „Geistigkeit des gemüterfüllten Tuns“ (<strong>Nohl</strong>:<br />
Osthilfe, 1933, S. 65) zusammen: Als Erstes <strong>die</strong> Hinwendung zum flachen Land, als<br />
Zweites das Wachsen des religiösen Sinnes, als Drittes <strong>die</strong> nationale Bewegung <strong>und</strong> als<br />
Viertes <strong>die</strong> Pädagogik selbst. Er betont wie immer, dass nicht das eine gegen das andere<br />
ausgespielt werden dürfe, dass er selbstverständlich beide deutschen Geistigkeiten, <strong>die</strong><br />
idyllische <strong>und</strong> <strong>die</strong> faustische, aufbewahren <strong>und</strong> bewahren möchte, gemäß seinem<br />
Konzept der Polarität.<br />
Eine besonders kryptische Passage sei hier noch erwähnt: <strong>Nohl</strong> lässt sich aus über „<strong>die</strong><br />
eigentümliche Mentalität der nationalen Bewegung“ (<strong>Nohl</strong>: Osthilfe, 1933, S. 66,<br />
Hervorhebung im Original). Es ist unklar, inwieweit <strong>Nohl</strong> hier mit dem Begriff der<br />
nationalen Bewegung <strong>die</strong> nationalsozialistische Bewegung meint, aber <strong>die</strong> Hypothese<br />
liegt nahe. Jedenfalls schreibt er über <strong>die</strong>se nationale Bewegung, dass sie<br />
„zwar noch immer sehr <strong>und</strong>eutlich ist <strong>und</strong> in ihrer brutalen Ablehnung von Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Geistigkeit barbarisch wirkt, hinter der aber augenscheinlich auch eine<br />
neue Schätzung des Tuns, aller bindenden Kräfte, <strong>und</strong> auch ein neues Ideal weiblicher<br />
Existenz steht, das ebenfalls noch roh <strong>und</strong> unklar ist, sich aber im Gegensatz<br />
gegen einen bloß intellektuellen Typus entwickelt <strong>und</strong> <strong>die</strong> tieferen Funktionen der<br />
Frau bewahrt wissen möchte.“ (<strong>Nohl</strong>: Osthilfe, 1933, S. 66 f.)<br />
Sollte er <strong>die</strong> <strong>NS</strong>-Bewegung wegen ihrer Ablehnung von Wissenschaft <strong>und</strong> Geistigkeit<br />
hier massiv kritisiert haben, so steht dann gleichzeitig fest, dass er zutiefst zufrieden<br />
darüber ist, dass <strong>die</strong> <strong>NS</strong>-Bewegung, wenn es denn um sie geht, „<strong>die</strong> tieferen Funktionen<br />
der Frau bewahrt wissen möchte“ (<strong>Nohl</strong>: Osthilfe, 1933, S. 67). So oder so, deutlich ist,<br />
dass <strong>Nohl</strong> seinen nationalpädagogischen deutschnationalistischen Weg 1932 selbständig<br />
gehen möchte <strong>und</strong> zunehmend spürt, dass er sich in einem Prozess der Abgrenzung <strong>und</strong><br />
Annäherung zur <strong>NS</strong>-Bewegung deutlich wird äußern müssen. Die Wendung weg vom<br />
Ideal Platons hin zum Alltag, zur Familie <strong>und</strong> zur Wohnstube, ja zum Kamin als<br />
heroischen Ort kann mehrfach interpretiert werden. Es kann auch der Vorbote des<br />
Rückzugs aus allen politischen Zusammenhängen sein.<br />
44