Herman Nohl und die NS-Zeit
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III. Nach 1945<br />
Pädagogik auf den Prüfstand zu stellen, überwiegt mit der <strong>Zeit</strong> <strong>die</strong> Vereinfachung einer<br />
sich ausschließenden Gegenüberstellung von nationaler Bewegung <strong>und</strong> deutscher<br />
Pädagogik einerseits <strong>und</strong> Nationalsozialismus andererseits ohne Schnittmenge.<br />
Die Fähigkeit der Anpassung an <strong>die</strong> jeweilige „geschichtliche St<strong>und</strong>e“ ist Maxime<br />
seines Schaffens. Die ihr innewohnende Charakterlosigkeit <strong>und</strong> Erbärmlichkeit wird<br />
dann deutlich, wenn <strong>Nohl</strong> sich mit Seinesgleichen <strong>und</strong> der großen Masse des deutschen<br />
Volkes identifiziert, nach wie vor ohne Scham den Gedanken der „Volksgemeinschaft“<br />
propagiert, ohne auch nur im Ansatz darüber zu reflektieren, dass <strong>die</strong> moralisch wün-<br />
schenswerte Pädagogik während der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> bei der Solidarität mit den Verfolgten, bei<br />
der Zivilcourage <strong>und</strong> bei dem Widerstandswillen lag, eben bei den Geschwistern Scholl,<br />
bei Adolf Reichwein <strong>und</strong> anderen, bei den wenigen, denen <strong>die</strong> Humanität theoretisch<br />
<strong>und</strong> praktisch der wichtigste Gesichtspunkt im Leben war.<br />
<strong>Nohl</strong> selbst hat an keiner Stelle seine eigenen Publikationen kritisch unter <strong>die</strong> Lupe<br />
genommen, hat niemals seine rassistischen <strong>und</strong> pronationalsozialistischen Passagen<br />
hinterfragt oder zum Gegenstand von Diskussionen gemacht. Das entsprach einer<br />
Mentalität, <strong>die</strong> das „Wühlen im Schmutz <strong>und</strong> Blut der Vergangenheit“ (<strong>Nohl</strong> in einem<br />
Brief an Elisabeth Blochmann vom 10.3.1946) 151 als gänzlich unfruchtbar ansah. So hat<br />
er selbst einen maßgeblichen Anteil daran, dass seine Apologeten <strong>und</strong> Anhänger nach<br />
seinem Tod den Zusammenhang zwischen seiner partiellen Kollaboration mit dem <strong>NS</strong>-<br />
Regime <strong>und</strong> dem Eklektizismus seiner theoretischen Gr<strong>und</strong>annahmen an keiner Stelle<br />
problematisiert haben. 152<br />
151<br />
Blochmann, Elisabeth: <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong> in der pädagogischen Bewegung seiner <strong>Zeit</strong> 1879–1960,<br />
Göttingen 1969, S. 200.<br />
152<br />
In der „Rede bei der akademischen Gedenkfeier am 4. Februar 1961“ für <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong> (Göttingen<br />
1961, S. 14) hebt Erich Weniger als einen zentralen Gedanken <strong>Nohl</strong>s folgendes Zitat <strong>Nohl</strong>s von 1954<br />
hervor: „Wer (so wie ich) <strong>die</strong>se hohen Jahre bis zum Ersten Weltkrieg voll miterlebt hat, wird nicht<br />
wagen, von ‚Schuld‘ zu reden, sondern von ‚Verhängnis‘.“<br />
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