Herman Nohl und die NS-Zeit
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IV. Zum Forschungsstand über <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong><br />
In der 2002 vorgelegten, sehr gründlichen Stu<strong>die</strong> „<strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong>s ‚Theorie‘ des pädago-<br />
gischen Bezugs. Eine Werkanalyse“ 248 von Damian Miller wird eine im Kern vernich-<br />
tende Kritik an dem als Pseudotheorie eingeschätzten „pädagogischen Bezug“ <strong>Nohl</strong>s<br />
vorgenommen.<br />
Jürgen Oelkers fasst den Ertrag <strong>die</strong>ser Dissertation in seinem „Geleitwort“ 249 so<br />
zusammen, dass Miller bewiesen habe, „dass von einer eigentlichen Theorie keine Rede<br />
sein kann“ (Oelkers Geleitwort 2002, S. 8) <strong>und</strong> es sich im Gr<strong>und</strong>e, so <strong>die</strong> Pointe der<br />
Arbeit, um eine „ästhetische Sprachregelung“ handelt:<br />
„<strong>Nohl</strong>s Bild ist harmonisch, <strong>und</strong> das entspricht seiner allgemeinen Ästhetik, <strong>die</strong> nahelegt,<br />
auch den ‚pädagogischen Bezug‘ schön darzustellen. Was damit nicht möglich<br />
ist, hat mit realen Kindern zu tun, also <strong>die</strong> Erfassung von Widerständigkeit oder<br />
Streit um <strong>die</strong> Ausdeutung sowohl der Beziehung als auch der pädagogischen Ambition,<br />
<strong>die</strong> im übrigen keineswegs, wie <strong>Nohl</strong> suggeriert, auf ‚Reife‘ festgelegt sein muss.<br />
Und wenn auch Kinder erziehen können, nicht nur sich, sondern auch ihre Eltern<br />
<strong>und</strong> Erzieher, dann bricht das schöne Bild schnell einmal zusammen.“ (Oelkers Geleitwort<br />
2002, S. 9, Hervorhebungen im Original)<br />
Dass Oelkers nicht nur als Theoretiker seinen Beitrag leistet, <strong>die</strong> Theorien <strong>Nohl</strong>s <strong>und</strong><br />
sein Werk zu demontieren, hat möglicherweise doch etwas damit zu tun, dass er reale<br />
Kinder nicht aus dem Auge verliert.<br />
Damian Miller geht zunächst chronologisch sämtliche wesentlichen Passagen <strong>Nohl</strong>s<br />
zum „pädagogischen Bezug“ in Jahrzehnte gegliedert durch <strong>und</strong> dokumentiert <strong>und</strong><br />
kommentiert sie. In einem zweiten großen Schritt stellt er <strong>die</strong> ihm wesentlich erscheinenden<br />
Rezeptionen des „pädagogischen Bezugs“ <strong>Nohl</strong>s von 1932 bis 2000 dar, wobei<br />
auch einige Schriften von Autorinnen <strong>und</strong> Autoren wie Peter Brozio, <strong>Herman</strong>n<br />
Giesecke, Norbert Kluge, Friedrich Wilhelm Kron <strong>und</strong> Panagiotis Xochellis 250 vorge-<br />
248<br />
Miller, Damian: <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong>s „Theorie“ des pädagogischen Bezugs. Eine Werkanalyse (Explorationen,<br />
Band 33), Bern 2002.<br />
249<br />
Oelkers, Jürgen: Geleitwort, in: Miller, Damian: <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong>s „Theorie“ des pädagogischen Bezugs.<br />
Eine Werkanalyse (Explorationen, Band 33), Bern 2002, S. 7–9.<br />
250<br />
Brozio, Peter: Vom pädagogischen Bezug zur pädagogischen Beziehung. Soziologische Gr<strong>und</strong>lagen<br />
einer Erziehungstheorie (Erziehung, Schule, Gesellschaft, Band 5), Würzburg 1995.<br />
Giesecke, <strong>Herman</strong>n: Die pädagogische Beziehung. Pädagogische Professionalität <strong>und</strong> <strong>die</strong> Emanzipation<br />
des Kindes, 2. Auflage, Weinheim/München 1997.<br />
Kluge, Norbert: Pädagogisches Verhältnis <strong>und</strong> Erziehungswirklichkeit. Kritische Überlegungen zur<br />
Theorie des pädagogischen Bezuges (Neue pädagogische Bemühungen, Band 48), Essen 1972.<br />
Kron, Friedrich Wilhelm: Theorie des erzieherischen Verhältnisses, Bad Heilbrunn 1971.<br />
Xochellis, Panagiotis: Erziehung am Wendepunkt? Gr<strong>und</strong>strukturen des pädagogischen Bezuges in<br />
heutiger Sicht, München 1974.<br />
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