30.01.2013 Aufrufe

Herman Nohl und die NS-Zeit

Herman Nohl und die NS-Zeit

Herman Nohl und die NS-Zeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

I. Gr<strong>und</strong>positionen <strong>und</strong> Hauptwerke<br />

dem Kampf für <strong>die</strong> Autonomie der Pädagogik an <strong>die</strong> Seite zu treten“ (<strong>Nohl</strong>: Dreißig<br />

Jahre, 1949, S. 222). <strong>Nohl</strong> wendet sich vehement gegen <strong>die</strong> religiöse Bekenntnisschule<br />

<strong>und</strong> fordert von der Schule, „über den Parteien“ zu stehen (<strong>Nohl</strong>: Dreißig Jahre, 1949,<br />

S. 223). Er warnt nachdrücklich vor möglichen Parteistreitigkeiten, <strong>die</strong> man doch satt<br />

habe <strong>und</strong> formuliert:<br />

„Der Entwurf <strong>die</strong>nt nicht der von uns allen ersehnten Volksgemeinschaft.“ (<strong>Nohl</strong>:<br />

Dreißig Jahre, 1949, S. 230)<br />

Die Relativität der Autonomie der Pädagogik gegenüber der „Volksgemeinschaft“ wird<br />

hier sehr deutlich. Über <strong>die</strong> Arbeit des Pädagogen sagt er nun 1928:<br />

„(…) er erzieht zum Staat, aber nicht zur Partei, zur Wissenschaft, aber nicht zum<br />

System, zur Religion, aber nicht zur Konfession. Wir nennen das <strong>die</strong> Neutralität der<br />

Pädagogik.“ (<strong>Nohl</strong>: Dreißig Jahre, 1949, S. 231)<br />

Hier geht <strong>Nohl</strong> offensichtlich einen Schritt weiter, indem er <strong>die</strong> Erziehung zum Staat<br />

<strong>und</strong> zur Religion ausdrücklich bejaht.<br />

Auch in dem publizierten Vortrag „Konfessionalität <strong>und</strong> Erziehung“ (1931) 68 wendet<br />

sich <strong>Nohl</strong> ausdrücklich gegen den Fanatismus der Konfessionalität <strong>und</strong> auch den der<br />

<strong>NS</strong>DAP. Einleitend kritisiert er, dass ein nationalsozialistischer Abgeordneter aber<br />

gesagt haben soll, dass eine wirkliche Überzeugung nicht mit dem Gegner diskutiert<br />

werde, sondern man ihn vernichten müsse (<strong>Nohl</strong>: Dreißig Jahre, 1949, S. 233). 69<br />

Ausdrücklich wendet <strong>Nohl</strong> sich gegen Ernst Jünger, der forderte, <strong>die</strong> Intensität des<br />

Glaubens zu stärken, „ganz abgesehen von den Inhalten“ (<strong>Nohl</strong>: Dreißig Jahre, 1949,<br />

S. 233). Die von <strong>Nohl</strong> angeprangerte Bodenlosigkeit rein formalen Glaubenswillens ist<br />

für ihn der Ausgangspunkt der Ablehnung des Konfessionsfanatismus. Ausdrücklich<br />

68 <strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: Konfessionalität <strong>und</strong> Erziehung (1931), in: <strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: Pädagogik aus dreißig<br />

Jahren, Frankfurt am Main 1949, S. 233–236. Vortrag in der Pädagogischen Akademie in Frankfurt am<br />

Main 1931, zuerst abgedruckt in: Die Deutsche Schule, 35. Jg. (1931), S. 68–70.<br />

69 Hier polemisiert <strong>Nohl</strong> indirekt <strong>und</strong> ohne es zu wissen auch gegen eine spätere Position Wilhelm Flitners,<br />

der zwei Jahre später in der <strong>Zeit</strong>schrift „Die Erziehung“, 8. Jg. (1933), Heft 7, S. 410 unter der Überschrift<br />

„Die deutsche Erziehungslage nach dem 5. März 1933“ schrieb: „Der Bolschewismus <strong>und</strong> <strong>die</strong> bloß<br />

gesellschaftliche Auffassung von Staat <strong>und</strong> Erziehung waren durch Diskussion <strong>und</strong> Lehre nicht zu<br />

überwinden, ihr Anspruch auf <strong>die</strong> öffentliche Erziehung ließ sich nur politisch vernichten.“ Damit habe, so<br />

kommentiert Micha Brumlik, auch Wilhelm Flitner seinen Kompromiss mit dem Ungeist jener Jahre<br />

geschlossen. Brumlik erklärt in seinem Aufsatz „Kritische Theorie <strong>und</strong> Symbolischer Interaktionismus –<br />

Pädagogik als kritische Sozialwissenschaft“ nicht nur auf Flitner bezogen: „Das pädagogische Denken als<br />

eine Reflexion am Standort der Verantwortung, das sich jederzeit seiner geschichtlichen Herkunft bewusst<br />

ist <strong>und</strong> <strong>die</strong> jungen Menschen in <strong>die</strong> konkreten Lebensformen ihrer Epoche einzuführen sucht, hat freilich,<br />

als es wirklich darauf ankam, <strong>die</strong> Feuerprobe des Nationalsozialismus nicht bestanden“ (in: Röhrs,<br />

<strong>Herman</strong>n/Hans Scheuerl (Hrsg.): Richtungsstreit in der Erziehungswissenschaft <strong>und</strong> pädagogische<br />

Verständigung, Frankfurt am Main/Bern/New York/Paris 1989, S. 113).<br />

35

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!