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Herman Nohl und die NS-Zeit

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I. Gr<strong>und</strong>positionen <strong>und</strong> Hauptwerke<br />

„pädagogischen Bewegung in Deutschland“, sondern galt auch als das zusammenge-<br />

schusterte Programm des „Deutschland erwache“ der Jahre 1813 bis 1933. Es war das<br />

Gegenprogramm der christlich orientierten, deutschnationalen Bewegung der Irrationalität<br />

gegen <strong>die</strong> Aufklärung <strong>und</strong> <strong>die</strong> Französische Revolution, in der jede Opposition oder<br />

ein „deutscher Geist“, wie ihn Heinrich Heine repräsentiert, weitgehend eliminiert ist.<br />

Im publizierten Vortrag „Die Deutsche Bewegung in der Schule“ (1925) 50 , vierzehn<br />

Jahre später, wird <strong>die</strong>ses Konstrukt weiter ausgebaut. Der „Fond nationaler Bildung“<br />

(<strong>Nohl</strong>: Dreißig Jahre, 1949, S. 40) sei eben <strong>die</strong> „Deutsche Bewegung“, aber auch <strong>die</strong><br />

„Neubegründung der Geisteswissenschaften durch Dilthey“ (<strong>Nohl</strong>: Dreißig Jahre, 1949,<br />

S. 41). Nun, da <strong>die</strong>ser „Fond der nationalen Bildung“ existiert, wird laut <strong>Nohl</strong> klar, dass<br />

<strong>die</strong> „Entwicklung der deutschen Jugend durch <strong>die</strong> Bildungswelt der Antike nur ein<br />

Notbehelf war“ <strong>und</strong> nun ein „höheres deutsches Menschentum (…) das ganze Dasein<br />

durchdringen musste“ (<strong>Nohl</strong>: Dreißig Jahre, 1949, S. 42 f., Hervorhebung im Original).<br />

<strong>Nohl</strong> verändert bewusst auch den Sprachstil <strong>und</strong> <strong>die</strong> Betonung des alltäglichen Idyllischen<br />

in überhöhter Form, wofür <strong>die</strong> Kunsttheorie den Begriff des „Kitschs“ geprägt<br />

hat. Gewichtiger ist jedoch <strong>die</strong> Definition des Ziels der Bildung, das bei <strong>Nohl</strong> nicht in<br />

der wissenschaftlichen Analyse gesehen wird:<br />

„Wir atmen ja in <strong>die</strong>ser Welt, sie umgibt uns in jeder Blume, Berg <strong>und</strong> Wald, Werkstatt<br />

<strong>und</strong> Straße, Wort <strong>und</strong> Lied, wir wandern in ihr <strong>und</strong> reden mit ihr. Das Ziel der<br />

Bildung kann nicht ihre wissenschaftliche Analyse sein, sondern <strong>die</strong> freie Bewegung<br />

<strong>und</strong> klärende Besinnung in <strong>die</strong>ser Welt, in der ich mich zu Hause weiß <strong>und</strong> selbst mit<br />

den Toten noch wie mit Brüdern verkehre, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Erziehung des deutschen Menschen,<br />

<strong>die</strong>ser lebendigen Realität in Haltung <strong>und</strong> Sprache, Gemütsform <strong>und</strong> Sitte als<br />

eines Stücks <strong>die</strong>ser Welt. Das Leben der Schule ist hier selbst ein nationales Sein,<br />

<strong>und</strong> jedes Wort in ihr ist ein Stück verwirklichten Deutschtums.“ (<strong>Nohl</strong>: Dreißig Jahre,<br />

1949, S. 45 f.)<br />

Diese Passage eines irrational entfesselten Nationalismus – mit der Gemütlichkeit <strong>und</strong><br />

Idylle des Waldes <strong>und</strong> der Blumen verklärt – ist schwer ernst zu nehmen, wenn auch <strong>die</strong><br />

Folgen solcher Thesen gewichtig waren. Allein der Satz „Das Leben der Schule ist hier<br />

selbst ein nationales Sein, <strong>und</strong> jedes Wort in ihr ist ein Stück verwirklichten Deutsch-<br />

tums“ kann auch bei sehr wohlwollender Auslegung nur als faule Pathetik gekennzeich-<br />

net werden.<br />

50 <strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: Die Deutsche Bewegung in der Schule (1925), in: <strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: Pädagogik aus dreißig<br />

Jahren, Frankfurt am Main 1949, S. 39–49. Vortrag in Northeim auf der Bezirkstagung der Lehrerschaft<br />

des Regierungsbezirks Hildesheim, zuerst erschienen in: Die Erziehung. Monatsschrift für den Zusammenhang<br />

von Kultur <strong>und</strong> Erziehung in Wissenschaft <strong>und</strong> Leben, 1. Jg. (1925/26), Heft 3, S. 136–145.<br />

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