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Herman Nohl und die NS-Zeit

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III. Nach 1945<br />

III. Nach 1945: Das „Wühlen im Schmutz <strong>und</strong> Blut der Vergangenheit“ 133<br />

Nach 1945 hat <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong> eine ganze Reihe von Aufsätzen <strong>und</strong> Artikeln veröffent-<br />

licht (sein Bibliograph Offermann führt über fünfzig an), 134 von denen nur wenige zu<br />

dem Problem Stellung nehmen, wie <strong>die</strong> <strong>NS</strong>-Diktatur entstehen konnte <strong>und</strong> welche Rolle<br />

Erziehungswissenschaft <strong>und</strong> Pädagogik in <strong>die</strong>ser Hinsicht haben.<br />

1. Das Geleitwort aus der ersten Ausgabe der <strong>Zeit</strong>schrift „Die Sammlung“ (1945) 135<br />

Als Herausgeber der <strong>Zeit</strong>schrift „Die Sammlung“ eröffnete er im Geleitwort zum ersten<br />

Heft <strong>die</strong> Diskussionsbeiträge <strong>die</strong>ser <strong>Zeit</strong>schrift mit der polaren Auffassung über Rück-<br />

blick <strong>und</strong> Zukunft, wobei der durch <strong>die</strong> „geschichtliche St<strong>und</strong>e“ bedingte Akzent<br />

(ähnlich wie Bechers Anfang der DDR-Nationalhymne) eindeutig nicht auf dem Blick<br />

in Vergangenheit liegt, sondern auf der Vorausschau in <strong>die</strong> Zukunft. 136 <strong>Nohl</strong> schreibt:<br />

„Unsere <strong>Zeit</strong>schrift will dem Wiederaufbau unseres Volkes <strong>die</strong>nen, seiner Kultur <strong>und</strong><br />

insbesondere seiner neuen Erziehung. Der Rückblick auf <strong>die</strong> Vergangenheit wird<br />

sich nicht vermeiden lassen, aber unser Wille ist entschlossen nach vorwärts gerichtet<br />

in den grauen Morgen unserer Zukunft. Unser Kompass ist <strong>die</strong> einfache Sittlichkeit,<br />

ein standhafter Glaube an <strong>die</strong> Ewigkeit der geistigen Welt, Liebe zum Nächsten<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> lebendige Hoffnung, dass auch uns einmal wieder <strong>die</strong> Sonne der Ehre <strong>und</strong><br />

des Glücks scheinen werde. Wurde bisher sehr laut gesprochen, so wollen wir still<br />

<strong>und</strong> sachlich reden, <strong>und</strong> wurden Phantasie <strong>und</strong> Gedanken unseres Volkes zu lange<br />

133<br />

<strong>Nohl</strong> in einem Brief an Elisabeth Blochmann vom 10.3.1946, zitiert nach Blochmann, Elisabeth:<br />

<strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong> in der pädagogischen Bewegung seiner <strong>Zeit</strong> 1879–1960, Göttingen 1969, S. 200.<br />

134<br />

Offermann, Joseph: Bibliographie <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong>s, in: <strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: Ausgewählte pädagogische<br />

Abhandlungen (Schöninghs Sammlung pädagogischer Schriften: Quellen zur Geschichte der Pädagogik),<br />

Paderborn 1967, S. 142–150.<br />

135<br />

<strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: (Geleitwort ohne Titel), in: Die Sammlung. <strong>Zeit</strong>schrift für Kultur <strong>und</strong> Erziehung, 1. Jg.<br />

(1945/46), Heft 1, S. 2.<br />

136<br />

<strong>Nohl</strong> wurde von der englischen Besatzungsmacht überprüft. In einem Brief von 1946 schreibt <strong>Nohl</strong>:<br />

„Dass man mich tatsächlich vor den Denazifizierungsausschuss gestellt hat <strong>und</strong> ich um ein Haar auch<br />

abgeschossen worden wäre, hat mich nur unterhalten“ (Brief von <strong>Nohl</strong> an Ebstein vom 2.6.1946,<br />

Niedersächsische Staats- <strong>und</strong> Universitätsbibliothek Göttingen, Cod. Ms. H. <strong>Nohl</strong> 643/24, zitiert nach:<br />

Matthes, Eva: Geisteswissenschaftliche Pädagogik nach der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong>. Politische <strong>und</strong> pädagogische<br />

Verarbeitungsversuche, Bad Heilbrunn 1998, S. 72). <strong>Nohl</strong> wurde offensichtlich von der englischen<br />

Besatzungsbehörde vorgeschlagen, dass er in <strong>die</strong> Redaktion seiner <strong>Zeit</strong>schrift „Die Sammlung“ (deren<br />

Autoren nun ja nicht alle ohne Berührungspunkte zum Nationalsozialismus waren) möglichst jemand<br />

aufnehmen solle, „der im KZ gesessen hatte“ (Matthes, S. 200). Elisabeth Blochmann interpretiert das in<br />

ihrer Schrift „<strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong> in der pädagogischen Bewegung seiner <strong>Zeit</strong> 1879–1960“ (Göttingen 1969) als<br />

„Unverständnis der Besatzungsmächte“ (Blochmann, S. 200). <strong>Nohl</strong> wiederum notierte laut Blochmann<br />

am 23.6.1946: „Ich kann mich auch nicht entschließen, wen ich als den geforderten radikalen Kompagnon<br />

hineinnehmen soll. (…) Was so schwer für <strong>die</strong> Menschen zu verstehen ist, dass man heute bei uns<br />

möglichst still vorwärts gehen muss, wenn man nur richtig geht! Dann weckt man keine Opposition, <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> Leser schlucken, was sie hören sollen <strong>und</strong> ohne Widerstand“ (Blochmann, S. 201 f.).<br />

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