Herman Nohl und die NS-Zeit
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3. Die geistige Lage des akademischen Nachwuchses (1946) 139<br />
III. Nach 1945<br />
In <strong>die</strong>sem Aufsatz sind zwei Gesichtspunkte hervorzuheben. Zunächst greift <strong>Nohl</strong><br />
Platons Elitegedanken wieder auf <strong>und</strong> formuliert als Ausgangspunkt seiner Überlegun-<br />
gen:<br />
„Wir brauchen eine neue Elite. Keine Gesellschaft kann ohne eine gewisse Hierarchie,<br />
ohne <strong>die</strong> Herrschaft der Besten auskommen.“ (<strong>Nohl</strong>: Geistige Lage, 1946,<br />
S. 274)<br />
<strong>Nohl</strong> ist schon bewusst, dass nun, nach dem 8. Mai 1945, <strong>die</strong> Frage der Demokratie<br />
wieder an Bedeutung gewinnt, <strong>und</strong> er warnt davor,<br />
„(…) mit dem neuen Freiheitsideal auch <strong>die</strong> Verantwortlichkeit los zu sein <strong>und</strong> bloß<br />
noch Kritik üben zu müssen. Der hohe Sinn der wahren Demokratie ist aber <strong>die</strong> freiwillige<br />
Verantwortlichkeit der Besten.“ (<strong>Nohl</strong>: Geistige Lage, 1946, S. 276)<br />
Die ganze antidemokratische Gr<strong>und</strong>gesinnung, <strong>die</strong> Tatsache, dass <strong>Nohl</strong> in keiner<br />
einzigen seiner Publikationen Gedanken über Demokratie <strong>und</strong> Pädagogik entwickelt<br />
hat, schlägt sich in <strong>die</strong>ser Auffassung von Demokratie für <strong>die</strong> Elite nieder. Somit ist<br />
man bei einer zentralen Frage der Geschichte der Pädagogik überhaupt angelangt,<br />
nämlich bei der Definition <strong>und</strong> Ausführung demokratischer Pädagogik.<br />
In einem zweiten Gedanken in <strong>die</strong>sem Aufsatz befasst sich <strong>Nohl</strong> mit dem Pflichtgefühl.<br />
<strong>Nohl</strong> referiert Pflichtgefühl <strong>und</strong> Pflichtethik seit dem Nibelungenlied über Luther bis<br />
Kant <strong>und</strong> den preußischen Staat <strong>und</strong> fasst zusammen:<br />
„Wir wissen alle, welche Größe in der Hingabe an eine Pflicht enthalten ist <strong>und</strong> was<br />
sie im Leben bedeutet. Sie ermöglichte den eisernen Charakter der deutschen Disziplin,<br />
auf den wir so stolz waren (…).“ (<strong>Nohl</strong>: Geistige Lage, 1946, S. 277)<br />
Es wird beim genauen Lesen spürbar, dass <strong>Nohl</strong> so ganz im Sinne seiner polaren<br />
Herangehensweise von <strong>die</strong>ser Pflichtethik nicht abgehen will, sondern lediglich bei der<br />
Übertreibung mit seiner Kritik ansetzt.<br />
„Die Gefahr <strong>die</strong>ser Haltung ist aber eine Unselbständigkeit, <strong>die</strong> auf den Befehl wartet.<br />
Im Nationalsozialismus wurde daraus <strong>die</strong> bedingungslose Einordnung <strong>und</strong> Unterwerfung<br />
unter das Parteigebot, um schließlich bei der willenlosen Vollstreckung<br />
selbst verbrecherischer Befehle zu enden.“ (<strong>Nohl</strong>: Geistige Lage, 1946, S. 277)<br />
Diese Passage ist in gewisser Hinsicht eine der wenigen, <strong>die</strong> für eine vertiefende<br />
Diskussion Ansatzpunkte der Auseinandersetzung mit den <strong>NS</strong>-Verbrechen, mit der<br />
139 <strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: Die geistige Lage des akademischen Nachwuchses, in: Pädagogik aus dreißig Jahren,<br />
Frankfurt am Main 1949, S. 272–278. Zuerst abgedruckt in: Die Sammlung. <strong>Zeit</strong>schrift für Kultur <strong>und</strong><br />
Erziehung, 2. Jg. (1947), Heft 1, S. 1–6.<br />
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