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Herman Nohl und die NS-Zeit

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IV. Zum Forschungsstand über <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong><br />

<strong>NS</strong>-Diktatur, hier formuliert als „<strong>die</strong> politische Wende des Jahres 1933“, wird vom<br />

Autor bei <strong>Nohl</strong> nicht ganz zu Unrecht als „natürlicher Pendelausschlag im polaren<br />

Spannungsgefüge der Erziehung“ (Geißler 1991, S. 230) eingeschätzt. Die Lesart ist:<br />

<strong>Nohl</strong> habe den Nationalsozialismus scharf abgelehnt, aber hinter ihm positive Kräfte<br />

<strong>und</strong> Motive gesehen, wie <strong>die</strong> „selbstlose Hingabe an <strong>die</strong> Sache, zum Dienst an einer<br />

großen Idee“. <strong>Nohl</strong> sei auch in der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> als „Pädagoge immer bereit“ gewesen, „das<br />

Positive zu sehen“ (Geißler 1991, S. 230). In <strong>die</strong>ser verqueren Formel ist nicht nur eine<br />

unrealistisch-idealisierende Vorstellung des Pädagogen enthalten, sondern wird auch <strong>die</strong><br />

faule Formel von den guten <strong>und</strong> den schlechten Seiten des Nationalsozialismus indirekt,<br />

aber wirkungsvoll reanimiert.<br />

Stefan Schnurr 215 weist in seinem Beitrag in dem vor allem für <strong>die</strong> Sozialpädagogik<br />

gewichtigen Sammelband „Politische Formierung <strong>und</strong> soziale Erziehung im Nationalsozialismus“<br />

von 1991 prinzipiell <strong>und</strong> im Detail darauf hin, wie <strong>die</strong> <strong>NS</strong>-<br />

Funktionalisierung sozialer Arbeit initiiert wurde. Er zitiert aus der Aussage einer<br />

Teilnehmerin der Mütterschulung des Reichsmütter<strong>die</strong>nstes:<br />

134<br />

„<strong>Nohl</strong> hatte ja gesagt, der sieben<strong>und</strong>dreißig erst ausgeschieden ist, dass er gern<br />

wollte, dass seine Schüler in <strong>die</strong> Bewegung reingingen, dass aus der Bewegung was<br />

würde, nicht? Und <strong>die</strong>sen Ruf hatte ich auch vernommen…“ (Schnurr 1991, S. 118)<br />

Die 1992 in Zürich von Giosua Thöny-Schwyn 216 verfasste Stu<strong>die</strong> „Philosophie <strong>und</strong><br />

Pädagogik bei Wilhelm Dilthey <strong>und</strong> <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong>“ entfernt sich weit von zeitgeschicht-<br />

lichen Fragen <strong>und</strong> behandelt, streng nach den Regeln formallogischer Begrifflichkeiten,<br />

systematisch <strong>die</strong> philosophischen <strong>und</strong> pädagogischen Kategorien in abstracto. Sein<br />

forschungsmethodologisches Konzept der Wirkungsgeschichte besondere Aufmerksamkeit<br />

zu schenken, wendet Thöny-Schwyn auch in einer zweiten Schrift im Dreischritt<br />

Dilthey – <strong>Nohl</strong> – Pestalozzi in seiner Stu<strong>die</strong> „Geisteswissenschaftliche Stu<strong>die</strong>n<br />

zu Dilthey <strong>und</strong> zur Pestalozzi-Rezeption <strong>Nohl</strong>s“ 217 von 1997 an.<br />

215 Schnurr, Stefan: Die nationalsozialistische Funktionalisierung sozialer Arbeit. Zur Kontinuität <strong>und</strong><br />

Diskontinuität der Praxis sozialer Berufe, in: Otto, Hans-Uwe/Sünker, Heinz (Hrsg.): Politische Formierung<br />

<strong>und</strong> soziale Erziehung im Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 1991, S. 106–140.<br />

216 Thöny, Giosua: Philosophie <strong>und</strong> Pädagogik bei Wilhelm Dilthey <strong>und</strong> <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong>. Eine geisteswissenschaftliche<br />

Stu<strong>die</strong> als historisch-systematische, komparative Problem-, Wirkungs- <strong>und</strong> Entstehungsgeschichte<br />

(Stu<strong>die</strong>n zur Geschichte der Pädagogik <strong>und</strong> Philosophie der Erziehung, Band 14), Bern/Stuttgart<br />

1992.<br />

217 Thöny-Schwyn, Giosua: Geisteswissenschaftliche Stu<strong>die</strong>n zu Dilthey <strong>und</strong> zur Pestalozzi-Rezeption<br />

<strong>Nohl</strong>s (Stu<strong>die</strong>n zur Geschichte der Pädagogik <strong>und</strong> Philosophie der Erziehung, Band 20),<br />

Bern/Stuttgart/Wien 1997.

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