Herman Nohl und die NS-Zeit
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II. Publikationen in der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong><br />
56<br />
generation der weißen Rasse, durch das Überwiegen des minder edlen Blutes über<br />
das edle herbeigeführt wurde. Ist <strong>die</strong> Rassenmischung einmal ganz vollendet, so beginnt<br />
damit <strong>die</strong> Ära der Einheit, Gleichheit <strong>und</strong> allgemeinen Mittelmäßigkeit. – Bei<br />
Chamberlain erscheint <strong>die</strong> Geschichte als der Gegensatz zweier großen Tendenzen,<br />
der universalen <strong>und</strong> der nationalen. Das römische Reich, <strong>die</strong> römische Kirche sind<br />
<strong>die</strong> Repräsentanten des Völkerchaos, <strong>die</strong> Germanen <strong>die</strong> Träger der nationalen Bewegung,<br />
<strong>die</strong> einen <strong>die</strong> Rasselosen, <strong>die</strong> anderen <strong>die</strong> Rassefesten. Rasselosigkeit <strong>und</strong><br />
Charakterlosigkeit ist dasselbe. Rasselose Menschen bleiben gespalten <strong>und</strong> unsicher,<br />
haben keine ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> starke Empfindung. Die Nation als politische Volksgemeinschaft<br />
ist nur <strong>die</strong> schützende Hülle für eine ausgebildete Rasse. Sein Buch ist damals<br />
überall gelesen worden <strong>und</strong> hat gewiss auch auf <strong>die</strong> Führer unserer nationalen Bewegung<br />
stark gewirkt.<br />
Tatsache ist, dass keine der europäischen Nationen eine reine Rasse darstellt, alle<br />
aus Rassenmischung hervorgegangen sind. Sie sind überhaupt keine Naturgewächse,<br />
sondern Produkte der Geschichte. 95 Und hier setzt <strong>die</strong> entscheidende Frage für <strong>die</strong><br />
Gestaltung unseres Volkskörpers ein. Es ist gewiss richtig, wie ich schon im Anfang<br />
sagte, dass uns Deutschen noch der feste, gleichmäßige Rassecharakter fehlt, den<br />
Engländer <strong>und</strong> Franzosen besitzen. Hintze sagt: ‚Weil unsere Nationalität <strong>die</strong>se feste<br />
physische Gr<strong>und</strong>lage noch entbehrt, weil sie nach dem Wort Lagardes nur im Gemüt<br />
<strong>und</strong> nicht auch im Geblüt steckt, ist der Deutsche im Ausland so leicht in Gefahr,<br />
sein Deutschtum zu verlieren, <strong>und</strong> behauptet er es nicht mit der Zähigkeit wie der<br />
Engländer <strong>und</strong> Franzose‘. Wir werden sehen, dass auch unsere Sprache <strong>und</strong> andere<br />
geistige Momente an <strong>die</strong>ser Frage beteiligt sind, aber ein tiefer Gr<strong>und</strong> liegt gewiss in<br />
<strong>die</strong>sem fehlenden biologisch-einheitlichen Rassecharakter. Soll man nun <strong>die</strong>sen national-deutschen<br />
Typus, der uns mangelt, durch ‚Aufnordung‘ schaffen, – das heißt<br />
also durch bewusste bevölkerungspolitische Bevorzugung der nordischen Bestandteile<br />
in unserem Volk, ganz gleich, wie man sich das vorstellt – oder durch eine zunehmende<br />
Ausgleichung der in unserem Volke vorhandenen Rassen? In dem einen Fall<br />
steht der Typus am Anfang <strong>und</strong> muss wieder aus dem Gemenge rein herausgearbeitet<br />
werden; im andern Fall liegt er in der Zukunft, ist <strong>die</strong> deutsche Rasse überhaupt erst<br />
in der Bildung begriffen <strong>und</strong> wird fertig sein, wenn <strong>die</strong> deutschen Stämme, Bayern<br />
<strong>und</strong> Preußen, Schwaben <strong>und</strong> Sachsen sich zum nationaldeutschen amalgamiert haben.<br />
Unsere Kleinstaaterei, zum Teil gerade auf <strong>die</strong>sen Stammesgegensätzen beruhend,<br />
hat doch auch <strong>die</strong>sen Ausgleich gehindert. Die Schaffung des einen deutschen<br />
Volkes durch unsere nationale Revolution, <strong>die</strong>se geniale Sprengung uralter Grenzen,<br />
nicht bloß der Stammes- <strong>und</strong> Ländergrenzen, sondern auch <strong>die</strong> Herstellung eines<br />
einheitlichen deutschen Volksgefühls <strong>und</strong> -willens eröffnet auch ganz neue Möglichkeiten<br />
für unsere physische Einheit. Das Komplement solchen inneren Ausgleiches<br />
wäre eine Rassenpolitik mit der Front gegen den Osten, <strong>die</strong> das weitere Einströmen<br />
95 <strong>Nohl</strong> nennt in der Fußnote als Quelle Otto Hintze: „Rasse <strong>und</strong> Nationalität in ihrer Bedeutung für <strong>die</strong><br />
Geschichte“ (Deutsche Bücherei 100). Diese Schrift konnte nicht nachgewiesen werden. Otto Hinze<br />
gehört zu den bekannten deutschnationalen Historikern des Kaiserreiches <strong>und</strong> der Weimarer Republik.<br />
Seine jüdische Frau floh 1939 in <strong>die</strong> Niederlande. Otto Hintze starb 1940 in Deutschland (vgl. Jütte,<br />
Robert/Hirschfeld, Gerhard (Hrsg.): „Verzage nicht <strong>und</strong> lass nicht ab zu kämpfen…“. Die Korrespondenz<br />
1925–1940. Otto Hintze <strong>und</strong> Hedwig Hintze, Essen 2004). Nach seinem Tod erschienen noch folgende<br />
Schriften in der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong>: Staat <strong>und</strong> Verfassung. Gesammelte Abhandlungen zur allgemeinen Verfassungsgeschichte,<br />
Band I: Staat <strong>und</strong> Verfassung, Leipzig 1941; Band II: Zur Theorie der Geschichte,<br />
Leipzig 1942.