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Herman Nohl und die NS-Zeit

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II. Publikationen in der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong><br />

den Nationalsozialismus‘, Wolfenbüttel-Berlin 1933.“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34,<br />

S. 48) 99<br />

<strong>Nohl</strong> wendet sich gegen Frauenverachtung in der Männerschaft mit folgenden – im<br />

Kern gerade für <strong>die</strong> Frauen beleidigenden – Argumenten:<br />

„Sie ist <strong>die</strong> Trägerin der Sitte – Männer allein verwildern sehr schnell – sie bewahrt<br />

<strong>die</strong> äußere <strong>und</strong> innere Sauberkeit des Hauses – Männer haben merkwürdig geringen<br />

Sinn für Schmutz – sie hütet aber auch das Gemütsleben des Hauses. Nur <strong>die</strong> Festsitte<br />

bleibt erhalten, bei der <strong>die</strong> Frau mittun kann. Wo bliebe selbst Weihnachten ohne<br />

<strong>die</strong> Mütter (…).“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 51, Hervorhebung im Original)<br />

<strong>Nohl</strong> beschließt das Kapitel mit einigen zentralen Passagen über <strong>die</strong> Familie als Hort<br />

von Autorität, Zucht <strong>und</strong> Gehorsam:<br />

„Wir wissen heute wieder, dass <strong>die</strong> Einheit eines nationalen Willens <strong>und</strong> <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

einer echten Führung nur da vorhanden sind, wo es Autorität, Zucht <strong>und</strong><br />

Gehorsam gibt, machen uns aber selten klar, dass alle politische Autorität abstrakt,<br />

künstlich <strong>und</strong> zufällig bleibt, wenn sie nicht in der Tatsache der natürlichen Autorität,<br />

wie sie in den Bezügen des häuslichen Lebens enthalten ist, einen Wurzelgr<strong>und</strong><br />

hat. Das Verhältnis ist hier dasselbe wie vorhin in dem von abstrakter Idealität zu<br />

der mütterlichen Gemütswelt: so hier von der politischen Autorität zu der väterlichen<br />

Zucht. Wo es kein richtiges Hausregiment gibt, gibt es auf <strong>die</strong> Dauer keinen ges<strong>und</strong>en<br />

Staat, wo das Kind nicht einen Fond von kindlicher Pietät <strong>und</strong> Gehorsamserfahrung<br />

bekommen hat <strong>und</strong> den Gehalt <strong>die</strong>ser Erfahrung bejahen kann, kennt es auch<br />

später keine soziale Festigkeit, keinen herrschaftlichen Willen <strong>und</strong> keine freie Unterordnung.<br />

Ein festes Haus verlangt, dass jeder einzelne Stein eine feste Form hat. Der<br />

positive Sinn <strong>die</strong>ser Gehorsamserfahrung des Kindes im Haus des Vaters ist, dass es<br />

das Glück eines festen Willens <strong>und</strong> eines durch solchen Willen geformten Lebens<br />

gespürt hat.“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 53 f.)<br />

Also <strong>die</strong> „Gehorsamserfahrung“ in der Familie als Basis des „nationalen Willens“<br />

gipfelt in der Schlussfolgerung: „Wo es kein richtiges Hausregiment gibt, gibt es auf <strong>die</strong><br />

Dauer keinen ges<strong>und</strong>en Staat“. Die Familie als „Hausregiment“ – <strong>die</strong>se <strong>Nohl</strong>’sche Idylle<br />

weist als Problem <strong>die</strong> Arbeiterfamilie auf:<br />

„In <strong>die</strong>ser Fabrikarbeit gibt es keine Würde des Altwerdens, keine Möglichkeit des<br />

Mannwerdens im eigensten Sinne durch verantwortungsvolle Arbeit, <strong>die</strong> Erfahrung<br />

<strong>und</strong> gesteigerten Willen fordert. Die kann der Fabrikarbeiter heute nur außerhalb<br />

der Arbeit finden in seiner politischen Tätigkeit, in seinem Schrebergarten, früher<br />

99 Siber, Paula: Die Frauenfrage <strong>und</strong> ihre Lösung durch den Nationalsozialismus, Wolfenbüttel/Berlin<br />

1933. Paula Siber, <strong>die</strong> einleitend „<strong>die</strong> weltgeschichtliche Tat der Übernahme des deutschen Reichskanzleramts<br />

durch Adolf Hitler“ (Siber, S. 5) begeistert begrüßt <strong>und</strong> feststellt: „im Schoß der Frau ruht <strong>die</strong><br />

Zukunft eines Volkes“ (Siber, S. 10), beklagt dann <strong>die</strong> seelische „Verkümmerung der von ihrer Wesensbedingtheit<br />

losgelösten <strong>und</strong> wurzellos gewordenen Frau (…), <strong>die</strong> unter der Herrschaft des demokratischen<br />

Gedankens zu einem Großteil der jüdischen Lehre von der Geschlechtergleichheit <strong>und</strong> Geschlechterfreiheit<br />

als Ausgleich für den Verlust der Familie verfiel“ (Siber, S. 8). Die Tonart ist klar, auch hier gilt <strong>die</strong><br />

<strong>NS</strong>-Parole „Der Jud ist schuld“.<br />

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