Herman Nohl und die NS-Zeit
Herman Nohl und die NS-Zeit
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IV. Zum Forschungsstand über <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong><br />
senschaft, (…) eine neue Pädagogik.‘ “ Als Quelle wird auf <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong> von Finckh 1977<br />
verwiesen. Die Autoren fahren fort:<br />
„Diese Orientierung des pädagogisch-philosophischen Denkens in der ‚Deutschen<br />
Bewegung‘ führte zwangsläufig zum Faschismus.“ (S. 637)<br />
Der Begriff der Zwangsläufigkeit wirkt an <strong>die</strong>ser Stelle wie eine Karikatur auf <strong>die</strong><br />
marxistische Analyse <strong>und</strong> verdunkelt das entscheidende Problem bei <strong>Nohl</strong>, nämlich<br />
welche Zwischenschritte auch bei einer Orientierung an der „Deutschen Bewegung“<br />
noch nötig waren, bis hin zum <strong>NS</strong>-Faschismus, <strong>und</strong> welche Möglichkeiten es real gab,<br />
sich nicht auf den <strong>NS</strong>-Faschismus einzulassen.<br />
Der nachfolgende Absatz kritisiert dann zutreffend <strong>die</strong> 1932 gehaltenen Vorträge über<br />
<strong>die</strong> Osthilfe <strong>und</strong> verweist auf <strong>Nohl</strong>s Chauvinismus gegenüber dem „polnischen Bazillus“<br />
<strong>und</strong> <strong>Nohl</strong>s Auffassung von der „ges<strong>und</strong>en Expansion unseres Volkes“. Das Fazit<br />
der drei Absätze lautet, dass <strong>Nohl</strong> sich der „faschistischen Politik“ unterworfen habe<br />
<strong>und</strong> zwar im Unterschied zu seinen Thesen von der „Autonomie der Pädagogik“<br />
(S. 637). Einige Seiten vorher war sehr wohl vermerkt worden, dass <strong>Nohl</strong> als Schüler<br />
Diltheys durch das mit Pallat zusammen herausgegebene „Handbuch der Pädagogik“<br />
<strong>und</strong> sein weiteres Wirken für <strong>die</strong> Pädagogik auch nach 1945 prägend gewesen sei<br />
(S. 635). 209<br />
Hans Prolls Dissertation „Die Fröbel-Rezeption in der geisteswissenschaftlichen<br />
Pädagogik. <strong>Nohl</strong>, Petersen, Spranger, E. Hoffmann“ 210 von 1988 geht in einem Teil auch<br />
auf <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong> ein. Im Abschnitt über <strong>die</strong> „Deutsche Bewegung“ spitzt Proll, deutlicher<br />
als andere Autoren, <strong>die</strong> Ablehnung der Aufklärung <strong>und</strong> damit von Wissenschaft als<br />
Kern der <strong>Nohl</strong>schen Interpretation der „Deutschen Bewegung“ zu (S. 12). Proll greift<br />
dabei den Gedanken <strong>Nohl</strong>s auf, dass sich <strong>die</strong> deutsche geistige Welt gegen <strong>die</strong> westli-<br />
209 In den seit 1957 erschienenen Auflagen der „Geschichte der Pädagogik“ wurde <strong>Nohl</strong> zwar als<br />
reaktionärer Pädagoge bezeichnet, <strong>die</strong> detaillierten Kritiken an <strong>Nohl</strong> waren aber offensichtlich in den<br />
späteren Auflagen erst durch <strong>die</strong> Debatte in der BRD in das Bewusstsein der Autoren gelangt.<br />
1993 formulierte der Leiter des Autorenkollektivs, Karl-Heinz Günther: „Im Gr<strong>und</strong> genommen hat bei<br />
uns eine dezi<strong>die</strong>rtere Forschung über Pädagogik im Nationalsozialismus eigentlich erst als ein Reflex auf<br />
<strong>die</strong> Untersuchungen begonnen, <strong>die</strong> nach 1968 in ziemlicher Breite in der BRD erschienen sind.“ (Cloer,<br />
Ernst/Wernstedt, Rolf (Hrsg.): Pädagogik in der DDR. Eröffnung einer notwendigen Bilanzierung,<br />
Weinheim 1994, S. 131)<br />
210 Proll, Hans: Die Fröbel-Rezeption in der geisteswissenschaftlichen Pädagogik. <strong>Nohl</strong>, Petersen,<br />
Spranger, E. Hoffmann (Pädagogik, Band 4; Berichte der Forschungsstelle für Schulgeschichte an der<br />
Universität –Gesamthochschule –Duisburg, Band 4), Bochum 1988.<br />
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