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Herman Nohl und die NS-Zeit

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III. Nach 1945<br />

Er schreibt über <strong>die</strong>sen dritten Punkt:<br />

98<br />

„(…) da ist weiter das andere moralische Unglück der Entnazifizierung mit ihrem<br />

seelischen Druck, ihrer Verführung zur Lüge <strong>und</strong> zu jeder Charakterlosigkeit.“<br />

(<strong>Nohl</strong>: Gegenwärtiges Deutschland, 1947, S. 261)<br />

<strong>Nohl</strong> legt damit offensichtlich nahe, dass <strong>die</strong>s ein Vorgang ist, der bekämpft werden<br />

müsse. Dass jene, deren Entnazifizierung zwingend geboten war, gar nicht erst zur<br />

„Lüge <strong>und</strong> zu jeder Charakterlosigkeit“ verführt werden mussten, sondern Lüge <strong>und</strong><br />

Charakterlosigkeit Wesensmerkmale des Nazismus waren, kommt <strong>Nohl</strong> gar nicht in den<br />

Sinn. 141<br />

Von einer wirklich selbstkritischen Einstimmung 142 auf eine tiefgehende Reflexion über<br />

<strong>die</strong> <strong>NS</strong>-Erziehungsideologie kann bei <strong>Nohl</strong> hier eindeutig nicht <strong>die</strong> Rede sein.<br />

5. Die heutige Aufgabe der Frau (1947) 143<br />

Dieser 1947 verfasste Beitrag beginnt mit Goethe <strong>und</strong> endet beim Arbeits<strong>die</strong>nst. Er<br />

enthält neben einer Fülle von Peinlichkeiten über <strong>die</strong> angeblichen Tugenden <strong>und</strong><br />

Untugenden der deutschen Frau <strong>und</strong> ihren Sinn dafür, „sonntags <strong>die</strong> Blumen auf den<br />

141 Elisabeth Blochmann schildert in ihrer Monographie „<strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong> in der pädagogischen Bewegung<br />

seiner <strong>Zeit</strong> 1879–1960“ (Göttingen 1969), dass <strong>Nohl</strong> nach 1945 „ein öffentliches Wirken im großen Stil“<br />

(Blochmann, S. 189) ermöglicht wurde. Sie hebt seine Rolle bei der Entnazifizierung hervor: „Die rasche<br />

Entschiedenheit gegen <strong>die</strong> wirklichen Nazis <strong>und</strong> <strong>die</strong> Großzügigkeit gegen <strong>die</strong>, <strong>die</strong> sich nur hatten<br />

einfangen lassen.“ (Blochmann, S. 190) Es sei hier angemerkt, dass für <strong>die</strong>se „rasche Entschiedenheit“<br />

des Vorgehens gegen <strong>die</strong> wirklichen Nazis von Blochmann keine Belege angeführt werden <strong>und</strong> solche<br />

auch nicht bekannt sind, während <strong>die</strong> „Großzügigkeit“ gegenüber den Befürwortern des Nationalsozialismus<br />

in der Tat charakteristisch für <strong>Nohl</strong> ist.<br />

Eva Matthes verweist auf ein Memorandum <strong>Nohl</strong>s für <strong>die</strong> britische Militärverwaltung aus dem Jahr, in<br />

dem <strong>Nohl</strong> fordert: „Anständige N[ational]S[ozialisten], <strong>die</strong> ihre Stellung nicht missbraucht haben <strong>und</strong> von<br />

denen <strong>die</strong> Leute nur Gutes zu sagen wissen, sind unbedingt in ihren Stellungen zu belassen.“ (Niedersächsische<br />

Staats- <strong>und</strong> Universitätsbibliothek Göttingen, Cod. Ms. H. <strong>Nohl</strong> 804, Blatt 2, zitiert in: Matthes,<br />

Eva: Geisteswissenschaftliche Pädagogik nach der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong>. Politische <strong>und</strong> pädagogische Verarbeitungsversuche,<br />

Bad Heilbrunn 1998)<br />

142 Nicht übergangen werden soll an <strong>die</strong>ser Stelle, dass <strong>Nohl</strong> sich in <strong>die</strong>sem Aufsatz dafür stark macht, <strong>die</strong><br />

Volkslehrerbildung nicht an der Universität stattfinden zu lassen, sondern in selbständigen pädagogischen<br />

Hochschulen. Das habe „(…) den Sinn, sie vor der abstrakten Geistigkeit zu bewahren <strong>und</strong> in dem neuen<br />

Volkslehrer <strong>die</strong> Volksgeistigkeit wiederzugewinnen, eine Steigerung der musischen Kräfte <strong>und</strong> ein<br />

lebendiges Wissen, konkrete K<strong>und</strong>e statt abstrakte Theorie. So begann der letzte Jahrgang der Göttinger<br />

Pädagogischen Hochschule mit einem vierzehntägigen Gemeinschaftslager der h<strong>und</strong>ertzwanzig Studenten,<br />

einem gemeinsamen Leben, das von der Hauswirtschaft bis zur religiösen Feier reichte <strong>und</strong> den<br />

ganzen Menschen in Anspruch nahm.“ (<strong>Nohl</strong>: Gegenwärtiges Deutschland, 1947, S. 263) Es ist nicht<br />

bekannt, wie viele Studentinnen <strong>und</strong> Studenten sich gegen <strong>die</strong>se Fortsetzung einer antiakademischen<br />

Erziehung im „Gemeinschaftslager“ mit Geschirrspülen, Essenfassen, Gitarrespielen <strong>und</strong> dem Singen<br />

christlicher Choräle gewehrt haben.<br />

143 <strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: Die heutige Aufgabe der Frau, in: Pädagogik aus dreißig Jahren, Frankfurt am Main<br />

1949, S. 265–271. Zuerst abgedruckt in: Die Sammlung. <strong>Zeit</strong>schrift für Kultur <strong>und</strong> Erziehung, 2. Jg.<br />

(1947), Heft 7, S. 353–358.

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