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theorie des hörspiels und seiner mittel - Mediaculture online

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http://www.mediaculture-<strong>online</strong>.de<br />

über mehrere Seiten sich erstreckend, mit entsprechenden Abständen folgende<br />

Zeitangaben: »Um neun Uhr reißt Finn Malmgreen die Brille herunter <strong>und</strong> dreht sich rasch<br />

zu dem Professor aus Prag um: Professor, wir sinken!« ... »Um neun Uhr vierzig<br />

schweigen die Motoren. Warum schweigen die Motoren? Wir sind noch 15 St<strong>und</strong>en von<br />

Kinsbay weg ...« ... »Um elf Uhr kommt der Erste Offizier <strong>und</strong> bringt eine Botschaft ...«<br />

Aber dann, beim Absturz, als das Fixieren der Minute unwiderruflich zu sein, der<br />

Zeitablauf durch den Tod zum Stehen zu kommen scheint, wird die Ironie schreiender<br />

Hohn:<br />

Meine Herren, will hier niemand die Giovinezza singen?<br />

Will hier niemand schreien: Es lebe Rom?<br />

Will niemand beten?<br />

Ich drehe das Grammophon auf. In drei Sek<strong>und</strong>en sind wir<br />

nämlich hin.<br />

Ich zähle auf drei. Ich zähle eins:<br />

Kameraden, ich wäre morgen sieben<strong>und</strong>zwanzig geworden.<br />

Zwei: wenn ich nur nicht im Nebel sterben müßte, nur<br />

nicht im Nebel!<br />

Hallo, hier Italia... Drei...!<br />

Und nach einer langen Pause: »Am fünf<strong>und</strong>zwanzigsten Mai 1928 um 11 Uhr 5 Minuten<br />

stürzt das Luftschiff Italia auf das Packeis östlich der Insel Foyn.«<br />

Das ist der eine Aspekt dieses großartigen Manuskripts, mit dem Walter Erich Schäfer<br />

wohl eine <strong>seiner</strong> besten Arbeiten, ganz gewiß aber seine beste R<strong>und</strong>funkarbeit, geliefert<br />

hat. In ihr wird zum ersten Mal der Feature-Stil – für mehr als ein Vierteljahrh<strong>und</strong>ert<br />

unverändert brauchbar – hingestellt. Erstaunlich, daß er sogleich so virtuos gehandhabt<br />

wurde. Man könnte ganze Partien <strong>des</strong> Textes mit dem fünf<strong>und</strong>zwanzig Jahre jüngeren<br />

Schnabeltext vertauschen, ohne daß es auffiele – es sei denn durch den Inhalt. Aber auch<br />

in Bezug auf den Inhalt besteht ja Verwandtschaft: Schäfer wie Schnabel sind in gleicher<br />

Weise durch das Phänomen <strong>des</strong> Fliegens fasziniert, ihnen beiden wird darin die<br />

unaufhaltsame Bewegung der Zeit <strong>und</strong> ihre Nichtigkeit offenbar, Schäfer bezeugt das<br />

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