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theorie des hörspiels und seiner mittel - Mediaculture online

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sogar – in Umkehrung – für die Komödie, für den Tiger Jussuf, der augenzwinkernd <strong>und</strong><br />

selbstgefällig nach <strong>seiner</strong> Realität in den Menschen fragt.<br />

Erinnern wir uns noch einmal an die Metapher von der Nebelwand, in der alle Gestalten,<br />

Bilder, Wirklichkeiten <strong>und</strong> Zeiten eines Hörspiels, immer gegenwärtig <strong>und</strong> bereit<br />

hervorzutreten, sich verborgen halten. Es handelt sich dabei um eine besondere Art von<br />

Gegenwärtigkeit: sie ist oft schon zu konstatieren, wenn die Objekte oder Vorgänge <strong>und</strong><br />

Zusammenhänge vorher noch nicht einmal genannt wurden, sie hat ihren eigentlichen<br />

Gr<strong>und</strong> allein in der künstlerischen Konsequenz von Thema <strong>und</strong> Form, sie ist vergleichbar<br />

der Verborgenheit <strong>und</strong> Gegenwärtigkeit, die im Thema einer Fuge schon die ganze Fuge,<br />

in einer musikalischen Modulation alle durchschrittenen Tonarten haben, aber natürlich<br />

am meisten die <strong>des</strong> Ausgangs <strong>und</strong> <strong>des</strong> En<strong>des</strong>. Aus solcher Gegenwärtigkeit heraus<br />

geschehen im Hörspiel Auftritte <strong>und</strong> Blenden, <strong>und</strong> in diese Gegenwärtigkeit tritt am Schluß<br />

auch alles wieder zurück.<br />

Alles ist in der Nebelwand immer potentiell vorhanden. Und <strong>des</strong>halb ist diese Art der<br />

Blende auch nicht mit simpler, fast mechanischer Eintönigkeit ausführbar – etwa nach<br />

dem Prinzip: Ebene zwei folgt nach einem assoziativen Blendhinweis im Wort auf Szene<br />

eins. Vielmehr gibt es die Möglichkeit, daß merkbare, konventionelle Blenden überhaupt<br />

nicht erfolgen <strong>und</strong> daß der geistige Vorgang dennoch der <strong>des</strong> ununterbrochenen Hin <strong>und</strong><br />

Her zwischen verschiedenen Wirklichkeitsebenen <strong>und</strong> Zeiten ist. Dies bedeutet dann die<br />

vollständige, aber im Hörspiel ganz natürliche Auflösung <strong>des</strong>sen, was beim Drama unter<br />

»Szene« verstanden wird. Im Hörspiel können Personen miteinander sprechen, die sich in<br />

ganz verschiedenen Räumen, an weit getrennten Orten befinden, können Stimmen <strong>und</strong><br />

Personen auftreten, die überhaupt keinen Ort <strong>und</strong> keine Umwelt haben, oder deren Ort<br />

<strong>und</strong> Umwelt so irrelevant sind, daß sie gar nicht erst imaginiert werden; es können an<br />

einem Ort auch mehrere Orte zugleich, <strong>und</strong> es kann eine Person zugleich an mehreren<br />

Orten sein. Alles ist denkbar, aber es ist nur <strong>des</strong>halb denkbar, weil die Dimensionen <strong>des</strong><br />

Raums verschw<strong>und</strong>en sind <strong>und</strong> weil das Wort <strong>und</strong> die Sprache, an keine stofflich-<br />

körperlichen Bedingungen mehr geb<strong>und</strong>en, zur Darstellung gelängen.<br />

So ist denn die Freiheit ohne Grenzen, die Form ohne Gesetz?<br />

Das kann es wohl kaum geben <strong>und</strong> gibt es nicht. Musil hat die Bedingung genannt, die<br />

erfüllt werden muß, wenn wir den Zeitablauf nicht als künstlerisches Gesetz anerkennen:<br />

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