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theorie des hörspiels und seiner mittel - Mediaculture online

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Aber es ist leicht, so zu fragen, unendlich schwer, für den ungeheuerlichen Vorgang, den<br />

wir erleben – die Zerstörung <strong>des</strong> Menschlichen im Menschen –, Gleichnisse zu finden, die<br />

genaue Diagnosen sind. Die unterschiedliche Aussagekraft der fünf Träume beweist das<br />

– <strong>und</strong> nicht minder ein weiterer, den Eich später dazuschrieb <strong>und</strong> den er unter dem Titel<br />

Der sechste Traum 1954 in den Neuen Deutschen Heften veröffentlicht hat.<br />

Selbstverständlich war er niemals dazu bestimmt, den fünf vorhandenen an letzter Stelle<br />

hinzugefügt zu werden <strong>und</strong> hinter dem Termitentraum zu stehen. Vielmehr war er ein<br />

Versuch, den zweiten zu ersetzen, über den Eich <strong>und</strong> ich diskutiert hatten [Für eine<br />

Sendung wäre es aus mehreren Gründen, auch um der Steigerung willen, besser, den<br />

jetzigen dritten Traum an die zweite Stelle zu rücken, den sogenannten »sechsten« aber<br />

zum dritten zu machen. Es ergäbe sich dann auch insofern eine gewisse Symmetrie, als<br />

die beiden Träume mit den eindrucksvollen euphorischen Trugschlüssen, die wie ein<br />

falsches Happy-End gespielt werden müssen – »Wir sind nicht armselig, wir haben unsre<br />

Kinder« <strong>und</strong> »Schlafen ist das Glück« –, nicht mehr aufeinanderfolgten, sondern an die<br />

zweite <strong>und</strong> vierte Stelle kämen].<br />

Der »sechste« Traum ist die Geschichte <strong>des</strong> Finanzbeamten Bayar aus Smyrna, der<br />

nachts im Hotel durch immer wiederholtes Betätigen <strong>des</strong> Klingelknopfes Bedienung rufen<br />

will, aber in Wirklichkeit ein Fallbeil in Gang setzt <strong>und</strong> zum Scharfrichter wird; eine<br />

bezechte Gesellschaft, die nur dieses »Juxes« wegen gekommen zu sein scheint, eröffnet<br />

es ihm schließlich. Das hat Züge, die weniger an Eichsche Bilder als an Erzählungen<br />

Kafkas erinnern. Das gleiche gilt auch für den jetzigen Traum vier, wo der tapsend<br />

näherkommende Feind die Menschen aus ihren Häusern jagt <strong>und</strong> nach der Puppe<br />

fahndet, die das Kind mit auf die Flucht nahm. Thematisch ganz präzis sind diese Bilder<br />

wohl nicht, auch nicht die letzte der drei Mittelszenen mit ihrem romantischen<br />

Vergessensmotiv.<br />

Dagegen ist die Gesamtarchitektonik <strong>des</strong> Hörspiels, ist die Art, mit der, es seine äußerst<br />

sparsamen Mittel verwendet, so unvergleichlich meisterhaft, daß man die<br />

außerordentliche Wirkung, die es danach auf die deutschen Schriftsteller ausübte, sofort<br />

begreift. Der Wechsel, die »Stilblende« zwischen den drei Formelementen – direkte<br />

Anrede in den Gedichten, einfache Ironie <strong>und</strong> Scheinobjektivität in den »Meldungen« über<br />

die Träumenden <strong>und</strong> Hintergründigkeit in den Szenen – ferner die selbstverständlich ganz<br />

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