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theorie des hörspiels und seiner mittel - Mediaculture online

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Stimmen sich abwechseln <strong>und</strong> einen ständigen Distanzwechsel bewirken: ein Beweis<br />

mehr dafür, daß gerade in der Mischung der konventionellen Stile eine der wichtigsten<br />

Verfremdungsmöglichkeiten <strong>des</strong> Hörspiels liegt. Dem Hellhörigen aber verrät vor allem<br />

auch die novellistische Pointierung der Handlung, daß mehr beabsichtigt ist, als<br />

Reportage äußerer Vorgänge. Etwa wenn in Georg W. Pijets Treibjagd das Gesicht <strong>des</strong><br />

schon asozial gewordenen Arbeitslosen auftaucht, der nachts hungernd am einsamen<br />

Bahndamm den lichtschimmernden Speisewagen mit seinen sorglos-satten Gästen<br />

vorüberfahren sieht <strong>und</strong> in aufflammender Empörung den Anschlag plant. Oder in Geno<br />

Ohlischlaegers Hörspiel Aller Mütter Sohn, der frühesten <strong>und</strong> eigentlich poetischeren<br />

Variante <strong>des</strong> Stoffs, der später im Film Urlaub auf Ehrenwort behandelt wurde, jener<br />

Fronturlauber, den ein altes, geistesverwirrtes Weib im Bahnhofswartesaal für ihren<br />

gefallenen Sohn hält; er kann ihr nicht widersprechen <strong>und</strong> kommt darum zu spät zu <strong>seiner</strong><br />

Truppe zurück. Oder in Rolf Gunolds <strong>und</strong> (einige Jahre darauf) in Josef Martin Bauers<br />

Hörspiel – Das pochende Herz heißt das eine, Das tote Herz das andere –, wo die<br />

Konfrontation <strong>des</strong> Menschen mit seinem eigenen, im Lautsprecher hörbaren Herzton, das<br />

Motiv <strong>und</strong> Geräusch-Leitmotiv bildet. Oder bei Hermann Kesser im Straßenmann die<br />

hölzern-starren Mienen <strong>des</strong> reichen Schiebers im Auto <strong>und</strong> später auf dem Balkon, wo er,<br />

an allen Fenstern der Straße von Hassern umgeben, seine Überlegenheitsmiene bis zum<br />

Zusammenbruch zu wahren sucht.<br />

HERMANN KESSERS »STRASSENMANN« UND ALFRED DÖBLINS<br />

»ALEXANDERPLATZ«<br />

Kessers Stück wurde eine der wichtigsten Sendungen von 1930, einem Jahr, das an<br />

hörspielgeschichtlicher Bedeutung nicht hinter dem voraufgehenden zurückstand. Es<br />

brachte außerdem die Premiere von Döblins Hörspiel Berlin Alexanderplatz, brachte<br />

Hermann Kasacks Kurzhörspiel Stimmen im Kampf <strong>und</strong> als Krönung Eduard Reinachers<br />

Narr mit der Hacke. Straßenmann ist, wie Alexanderplatz, in der alten Schallaufzeichnung<br />

erhalten, wir können uns eine genaue Vorstellung davon machen, wie man das Stück zu<br />

<strong>seiner</strong> Zeit verstand. Es ist in seinen Figuren, vor allem in der <strong>des</strong> Geschäftemachers<br />

Straßenmann selbst, einigermaßen zeitabhängig, <strong>und</strong> auch Milieu <strong>und</strong> Stimmung sind<br />

orts- <strong>und</strong> zeitgeb<strong>und</strong>en: an eine jener Berliner Vorortsstraßen, die noch auf die Jahre vor<br />

der Jahrh<strong>und</strong>ertwende zurückgingen, mit von Eisenzäunen umgebenen Efeuvorgärten<br />

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