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theorie des hörspiels und seiner mittel - Mediaculture online

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das der Autor gleich nach vollbrachter Tat mit den nämlichen Worten, mit denen die<br />

Begegnung zwischen ihm <strong>und</strong> dem Literaturkriminalisten begann, zu diktieren anhebt.<br />

Hier ist kaum Exposition vonnöten, nur die Schablonesituation <strong>des</strong> von einem kleinen<br />

journalistischen Esel interviewten prominenten <strong>und</strong> raffinierten Überesels. Alles weitere<br />

wird im Dialog – nach Kriminalmethode – erst ausgewickelt.<br />

Auch bei Hil<strong>des</strong>heimer gibt es kaum Exposition. Die Situation: ein streitbares Ehepaar<br />

gräbt ein Gartenbeet um <strong>und</strong> stößt dabei auf eine Marmorquader, darunter eine Höhle.<br />

Erst er, später sie gehen aus Neugier hinein, bleiben je drei Wochen, die ihnen angeblich<br />

nur wie ein einziger Tag vorkommen, <strong>und</strong> erzählen dann von einem unterirdischen<br />

Märchenpalast. Endlich steigen beide gemeinsam – <strong>und</strong> dabei in Wirklichkeit beide zum<br />

erstenmal – hinab: kein Palast, doch die Erde über dem Eingang stürzt ein, so daß sie<br />

gefangen sind, <strong>und</strong> ihr törichtes Zankverhältnis eine Weile in ein nie erlebtes, ernstes<br />

Miteinander übergeht. Als sie einen Nebenausgang finden, ist alles wieder beim Alten.<br />

Dürrenmatt <strong>und</strong> Hil<strong>des</strong>heimer sind aber – trotz dieser Ähnlichkeit – auch sehr<br />

verschieden. Bei Dürrenmatt ist die Satire nicht Zweck, sondern Mittel, er will damit<br />

theatralisch etwas sagen: gerade <strong>des</strong>halb wirkt seine Abendst<strong>und</strong>e viel bösartiger als<br />

Hil<strong>des</strong>heimers Ehehörspiel. Hil<strong>des</strong>heimer geht, so absurd sein Hörspieldialog scheint,<br />

keineswegs vom Absurden aus, sondern von der Satire, aber er will nicht mit der Satire<br />

etwas ausdrücken, sondern er will die Satire als Selbstzweck. Man lese bei Schiller nach<br />

<strong>und</strong> verdolmetsche in unsere heutige Sprache, was er über die zwei verschiedenen<br />

Anwendungen der Satire in Naive <strong>und</strong> sentimentalische Dichtung sagt. Die »pathetische<br />

Satire«, die »nur erhabene Seelen« – übersetzen wir frei »Dramatiker« – beherrschen,<br />

steht der »spottenden Satire« gegenüber, die »nur einem schönen Herzen gelingen« kann<br />

– was sich nicht, auch nicht einmal frei übersetzen läßt –, oder soll man von einem<br />

»lyrischen Herzen« reden? »Nur dem schönen Herzen ist es verliehen, unabhängig von<br />

dem Gegenstand seines Wirkens in jeder <strong>seiner</strong> Äußerungen ein vollendetes Bild von sich<br />

selbst abzuprägen.« Der Dramatiker ist nicht frei vom Gegenstand. Er muß – siehe oben!<br />

– »etwas« auswickeln <strong>und</strong> braucht scharf pointierte Handlungsabläufe. Im Drama, in der<br />

Alten Dame zum Beispiel, macht Dürrenmatt das Tragische zum Grotesken, indem er eine<br />

alte Hure tragische Göttin spielen läßt, aber schließlich wird ihr tragischer Fluch durch die<br />

wirklich tragische Haltung ihres Gegenspielers unwirksam. Alles große Vorgänge, die<br />

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