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theorie des hörspiels und seiner mittel - Mediaculture online

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Einblenden? Was ist das? Was geschieht, wenn im Hörspiel eine Blende aufgeht, d. h.<br />

der Tontechniker den Regler öffnet? Ein Nichts, ein akustischer Raum, der leer ist, den<br />

man aber gleichwohl mit den Ohren wahrnehmen kann, ist da – <strong>und</strong> damit ein potentieller<br />

Raum für Klänge <strong>und</strong> Stimmen, der dem potentiellen Raum für Bilder in unserer Phantasie<br />

seltsam genau entspricht. Je<strong>des</strong> Wort, das in diesen Raum fällt, füllt ihn nun mehr <strong>und</strong><br />

mehr, ähnlich wie sich im Traum der leere Raum bewußtlosen Dämmerns mit Licht <strong>und</strong><br />

Bewegung zu füllen vermag; aber jede Stille läßt diesen Raum auch sogleich wieder<br />

dunkler <strong>und</strong> leerer werden. Sein Inhalt fließt, wenn nicht neue Anstöße folgen, immerfort<br />

auseinander <strong>und</strong> verdünnt sich, um sich, angeregt durch neue Hörbarkeiten, erneut zu<br />

kondensieren.<br />

Dies ist der Atem <strong>des</strong> Hörspiels. Das Schließen <strong>des</strong> Reglers aber, bei dem nicht nur die<br />

Inhalte <strong>des</strong> Raums verschwinden, sondern der Raum selber, ist der Hörspielschluß – oder<br />

es ist nur ein Durchgangspunkt zum Öffnen eines neuen Raums, ein Umkippunkt von<br />

einem Bild zum anderen.<br />

Bleiben wir bei der Metapher von der Nebelwand. Immer treten daraus – durch akustische<br />

Daten, die unsere Phantasie in Dynamisch-Optisches verwandelt – Gestalten hervor. Wir<br />

sind gegenüber der Fülle der durcheinanderklingenden, akustisch erst einmal<br />

beziehungslosen Gegebenheiten genau in der Lage, in der das neugeborene Kind ist,<br />

dem die Welt als erdrückende Vielfalt zusammenhanglosen, abstrakten Form- <strong>und</strong><br />

Farbgewimmels gegenübersteht. Es muß sie zu Zusammengehörigkeiten, Dingen,<br />

Verhältnissen, Vordergründen, Tiefen ordnen. Das Kind braucht Monate, das abstrakte<br />

Bild zu konkretisieren. Der Hörspielhörer versteht <strong>und</strong> konkretisiert in Bruchteilen von<br />

Sek<strong>und</strong>en. Allerdings, er konkretisiert nicht mit den Händen Tastbares, mit der Zunge<br />

Schmeckbares, sondern mit den Ohren Sichtbares. Das Sichtbare gewinnt, indem es<br />

durch die Organe <strong>des</strong> Hörens aufgenommen wird, eine Qualität, die sonst das Hörbare<br />

hat: nämlich, daß es nicht direkt als ein Etwas wirkt, sondern als eine spirituelle Äußerung<br />

von einem Etwas. Dadurch wird das Etwas in unserer Phantasie nicht nur körperlich-<br />

anschaulich konstituiert, sondern gewinnt auch gleich ein Wesen, eine innere Tendenz,<br />

eine Dynamik.<br />

Nehmen wir einen Hörspielanfang: man hört nach dem Öffnen der Blende aus dem<br />

M<strong>und</strong>e eines Mädchens die hastige Anrede »Großvater!« Wieviel ist bereits da? Die<br />

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