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theorie des hörspiels und seiner mittel - Mediaculture online

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Über die Blende in der modernen Prosa ∗ kann nur gesagt werden: daß die Verwendung<br />

<strong>des</strong> Begriffs hier wohl etwas vage ist, daß er sich aber wahrscheinlich dennoch für das<br />

Verständnis mancher formaler Eigentümlichkeiten als nützlich erweisen würde. Die<br />

Schwierigkeit ist u. a. darin begründet, daß das stumme Lesen, mit dem die heutigen<br />

Prosaisten rechnen, kein Vorgang mehr ist, der sich in einem festen, vom Autor zu<br />

bestimmenden empirischen Zeitablauf vollzieht. Simpel gesagt: nicht nur der Dichter<br />

macht Absätze, Sprünge, Pausen, Schlüsse <strong>und</strong> Neuanfänge, sondern auch der Leser.<br />

Deshalb kann man beinahe nicht mehr konstatieren, daß sich die Zeit, die in der<br />

Handlung abläuft, zur realen, empirischen Zeit, die das Lesen braucht, irgendwie<br />

»verhält«, daß die Erzählzeit irgendwelche Dimensionen hat. Der Vorgang, der sich im<br />

Lesen vollzieht, ist bloß noch spirituell. (Auf der vollkommenen Freiheit <strong>des</strong> Lesers beruht<br />

auch die vollkommene, an Willkür grenzende Freiheit <strong>des</strong> Autors; hier liegt die Gefahr <strong>des</strong><br />

Romans als Kunstform.) Dennoch gibt es noch <strong>und</strong> wird es immer geben: den Willen zur<br />

Kontinuität, ja sogar zu minutiöser Darstellung als Stil<strong>mittel</strong>. In diesem Fall kann dann<br />

auch von Blenden gesprochen werden. Man wird wahrscheinlich die jeweilige Kontinuität,<br />

die jeweilige Konsistenz eines Werks erst feststellen müssen, um dann die Blendsprünge<br />

zu erkennen <strong>und</strong> zu beurteilen.<br />

Was nun das Theater betrifft, so hat man in den Jahrzehnten seit Pirandello bis hin zum<br />

epischen Theater Brechts <strong>und</strong> Wilders alle Anstrengungen darauf verwendet, es von der<br />

Kompaktheit <strong>seiner</strong> Raumrealität zu befreien. ∗ Ganz gleich, ob dies nun (nach Tradition<br />

<strong>und</strong> Vorbild der »romantischen Ironie«) aus der Handlung selbst heraus geschieht oder<br />

durch einen Erzähler außerhalb der Handlung: das Wort muß immer wieder dazu<br />

verwendet werden, die Spielrealistik, die entstehen will, ausdrücklich zu zerstören. Wird<br />

das eine Weile versäumt, so bildet sich in Kürze diese realistisch-illusionistische<br />

Vorstellung bei den Zuschauern neu – ganz gleich, ob ein unrealistisches Bühnenbild sie<br />

davor bewahren will oder nicht. Die Auflösung der dreidimensionalen Realität geschieht<br />

nicht vom Bühnenbild, sondern wirksam <strong>und</strong> sicher allein vom Wort her: dadurch, daß von<br />

der Bühne herab immer wieder ad spectatores gesprochen wird, also aus der sich<br />

∗ Vgl. Karlheinz Braun, Die epische Technik in Max Frischs Roman Stiller. Dissertation Frankfurt 1959<br />

(vervielfältigt, nicht im Buchhandel). Darin eine Untersuchung über erzählte Zeit <strong>und</strong> »Erzählzeit« in<br />

diesem Roman <strong>und</strong> über die »Rückwendungen«.<br />

∗ Auch die Forderung Günther Weisenborns, »den szenischen Ablauf von zwei der drei aristotelischen<br />

Einheiten zu befreien«, seine »ortlose Dramaturgie«, gehört genau in diesen Zusammenhang.<br />

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