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theorie des hörspiels und seiner mittel - Mediaculture online

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Vorgang die Vermutung weckt, daß dem Hörspiel als Form etwas für einen totalen Staat<br />

Bedenkliches, Unannehmbares anhaftet, so dieser. Die Erscheinung hängt mit dem<br />

zusammen, was in der dritten Definition <strong>des</strong> Hörspiels in Opposition zu jener<br />

Brecht<strong>theorie</strong> formuliert wurde, die das Trennen von der Masse durch »Hineinfühlen«<br />

unbedingt vermeiden will. Sie hängt mit der magisch-lyrischen Sprache <strong>des</strong> Hörspiels<br />

zusammen, mit der individualisierenden Natur <strong>des</strong> R<strong>und</strong>funkhörens, über die sich<br />

Einsichtige längst klar waren, ehe der Lindberghflug entstand.<br />

Das Hörspiel ist nicht, wie das Theater oder wie der Film oder wie sogar in hohem Grade<br />

noch das Fernsehen, das man innerhalb einer kleinen Gruppe, etwa der Familie, genießt,<br />

eine öffentliche Repräsentation. Sondern, obwohl der R<strong>und</strong>funk ein »Masseninstrument«<br />

ist, wendet er sich immer nur an den Einzelnen in <strong>seiner</strong> Isolierung, wie immer wieder bis<br />

zum Überdruß, aber richtig formuliert wurde. Selbst wenn zwei miteinander hören, sind es<br />

– nicht anders als wenn zwei miteinander im gleichen Buche lesen – zwei getrennte<br />

Vorgänge, zwei völlig verschiedene <strong>und</strong> eigene, weil ganz <strong>und</strong> gar innerliche Welten, in<br />

denen sich die beiden befinden. Darum ist auch ein sogenannter Gemeinschaftsempfang<br />

bei Hörspielen <strong>und</strong>enkbar.<br />

Man merkt das, wenn man einmal notgedrungen, etwa bei einer Pressevorführung, ein<br />

Hörspiel in einem größeren Kreis vorzuspielen versucht. Das Gefühl der körperlichen<br />

Nachbarschaft der anderen steigert dann die Wirkung nicht etwa, sondern schmälert sie,<br />

je hörspieltypischer die Sprache ist, <strong>des</strong>to mehr. Gemeinschaftsempfang, wenn er<br />

denkbar <strong>und</strong> wünschbar wäre, würde Hörspiele mit proklamativem Charakter verlangen.<br />

Die Nazis haben in ihren Sendungen, die sie St<strong>und</strong>e der Nation nannten, in ihren<br />

sogenannten Kantaten <strong>und</strong> Chorischen Spielen etwas derartiges versucht <strong>und</strong> haben sich<br />

dabei gleichfalls – wenn auch meist primitiver als Brecht im Lindberghflug – eine<br />

quasiliturgische Sprache anzueignen bemüht. Als sie spürten, daß sie damit nicht<br />

überzeugten, daß sich äußeres Pathos auf diesem Wege nicht übertragen ließ,<br />

bek<strong>und</strong>eten sie offen, daß die Hörspielform sie nicht interessiere. Doch da sie das<br />

Fernsehen noch nicht ausgebaut hatten, da sie nur über den Hörfunk alle erreichen<br />

konnten, arbeiteten sie mit allen Mitteln an der gewaltsamen Umgestaltung der<br />

Sprechweise <strong>des</strong> Instruments R<strong>und</strong>funk weiter. Die Übertragung von<br />

Massenk<strong>und</strong>gebungen mit ihrer Marschmusik <strong>und</strong> ihrem zeremoniös-prunkhaften<br />

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