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theorie des hörspiels und seiner mittel - Mediaculture online

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»Wie ist es? Fangen Sie an, sich einzuleben? Wissen Sie schon, was die Kinder spielen? Was<br />

die Verliebten sich zuflüstern? Was die Frauen am Brunnen reden? – Sie werden immer nur<br />

finden, daß es hier anders ist als bei Ihnen zu Hause, in Estland. Anders <strong>und</strong> schlechter. Sie<br />

werden sich immer in der Fremde fühlen. Ich habe in vielen Ländern gewohnt, jahrelang. Es<br />

ging mir gut, ich war überall halbwegs zu Hause. Aber mehr auch nicht.«<br />

Genau das ist es, was Hoerschelmann in diesem Hörspiel sagen will. Ein großer Mystiker,<br />

der Verfasser <strong>des</strong> Hebräerbriefs, hat es aus dem gleichen Gefühl heraus formuliert: »Wir<br />

haben hier keine bleibende Statt.« Das Ende der Geschichte der beiden Männer kann<br />

darum auch nicht mehr überraschen. Und doch gibt es noch eine Erfindung von<br />

w<strong>und</strong>erbarer Zartheit, als die zwei schließlich in Erwartung ihrer Aburteilung<br />

zusammensitzen:<br />

- Was denken Sie, Baron?<br />

- Ich denke, jetzt ist wirklich kein Unterschied mehr zwischen Ihnen <strong>und</strong> mir.<br />

- War denn vorher ein Unterschied?<br />

- Vorher ... Ja, Sie haben recht.<br />

- Sie sind ein guter Mensch, Baron, aber sehr hochmütig.<br />

Dies ist der Beginn der Schlußszene, in der dann, erschrocken über seinen »Hochmut«,<br />

der Deutsche zwar die großen Worte von Brüderlichkeit <strong>und</strong> Liebe spricht (<strong>und</strong> er spricht<br />

sie mit redlichem Herzen), aber der andere für ihn stirbt, der Jude für den Deutschen, weil<br />

er ihn durch seinen Tod retten kann. Er zieht es vor, für diesen zu sterben, der sich als<br />

seinen Bruder bekannt hat, statt durch die andern, die seine Henker sein würden.<br />

Der Verschlossenen Tür gingen fünf Hörspiele voraus: Amtmann Enders (1949), das<br />

Tolstoi-Hörspiel Was sollen wir denn tun? (1950 – es spielt auf dem Bahnhof von Zarskoje<br />

Selo bei dem sterbenden Dichter, <strong>und</strong> Hoerschelmann arbeitete es später zu einem etwas<br />

mißlungenen Fernsehspiel um), <strong>und</strong> ferner Eine St<strong>und</strong>e Aufenthalt, Sabab <strong>und</strong> Illah <strong>und</strong><br />

Der Hirschkäfer (alle drei 1952). Es ist unmöglich, auf je<strong>des</strong> der Stücke einzugehen. Wie<br />

bei Eich 1950 <strong>und</strong> 51, so waren bei Hoerschelmann 1952 <strong>und</strong> 53 die fruchtbarsten Jahre.<br />

Hier lagen wohl seit dem Krieg überhaupt die Jahre größter Produktivität im Hörspiel. Nur<br />

im Hörspiel? Wir waren nicht mehr am Verhungern, aber noch nicht satt. Wir hatten noch<br />

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