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theorie des hörspiels und seiner mittel - Mediaculture online

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werden bei der stürmischen Inbesitznahme <strong>des</strong> neuen Wirkungsfel<strong>des</strong> gespürt haben,<br />

daß der R<strong>und</strong>funk ihnen eigene, noch unbekannte Kunstgesetze auferlegte.<br />

Dieter Wellershoff hat einmal aufgezählt, welche Irrtümer gleich zu Beginn am Wege<br />

lagen. ∗ Wenn man seine Liste noch um einen weiteren Punkt vermehrt, enthält sie alle<br />

Fehler, die bis 1930 bereits gründlich durchexerziert waren:<br />

1. Die Erkenntnis, daß »die naturgetreue Geräuschkulisse die Einbildungskraft <strong>des</strong><br />

Hörers lahmlegt <strong>und</strong> selten mehr als ein bloßes Erkennen bewirkt«, fehlte sämtlichen<br />

Versuchen der Frühzeit.<br />

2. Das – ebenfalls naturalistische – Mißverständnis <strong>des</strong> Hörspiels »als ein Spiel im<br />

Dunkeln« führte dann zu dem »rührenden Irrtum <strong>des</strong> ersten Hörspielautors Hughes...,<br />

der glaubte, die Unsichtbarkeit <strong>des</strong> Geschehens motivieren zu müssen«. Wellershoff<br />

meint zu den beiden Punkten: »Das Hörspiel verträgt solche Schwerfälligkeit am<br />

wenigsten. Es ist eine ökonomische Kunst. Es ist nicht sein Mangel, sondern seine<br />

eigenartige Chance, daß es keinen kompletten Schauplatz, keine leibhaftigen<br />

Menschen zeigen kann, <strong>und</strong> es braucht <strong>des</strong>halb auch nicht die Unsichtbarkeit <strong>des</strong><br />

Geschehens zu kompensieren.«<br />

3. Ein ähnlicher Irrtum, von Wellershoff wahrscheinlich mit Recht gleichfalls aus dem<br />

falschen Bedürfnis zur Kompensierung erklärt, hat sich ein Jahr nach Hughes in<br />

Gunolds Spuk manifestiert: »Da das Hörspiel keine leibhaftigen Menschen zeigen kann,<br />

folgerte man, hier habe man es eigentlich mit Gespenstern zu tun.«<br />

4. Und aus derselben Motivierungsangst kam ein Fehler zustande, den Wellershoff<br />

nicht erwähnt. Als man nämlich merkte, daß realistische Theaterdialoge <strong>und</strong><br />

ausgedehnte, schauplatzgeb<strong>und</strong>ene Szenen im Hörspiel uninteressant sind, versuchte<br />

man den Sprung von Ort zu Ort <strong>und</strong> die Simultanität von Orten <strong>und</strong> Handlungen durch<br />

die Mittel raumüberbrückender Technik herbeizuführen <strong>und</strong> zu begründen: man ließ<br />

Telephon, Telegraph oder technische Utopien mitspielen.<br />

Man sieht: immer drängte das Instrument dazu, die konventionellen, realistischen<br />

Methoden über Bord zu werfen, <strong>und</strong> immer waren es die zaghaften Autoren, die die<br />

Kühnheiten, zu denen sie das Hörspiel zwingen wollte, mit ärmlichen, kompakten<br />

Motivationen zu kaschieren versuchten. Noch heute kann man bei <strong>mittel</strong>mäßigen<br />

Hörspielschreibern die gleichen Fehler aus der gleichen ängstlichen Schwerfälligkeit<br />

beobachten: angefangen vom »blinden« Vertrauen zur Geräuschkulisse bis hin zum<br />

Gespensterspuk. Auch die Vorliebe für Dunkelszenen <strong>und</strong> simple Telephonblenden ist<br />

keineswegs ausgestorben. Wellershoffs Irrtümerliste ist nach wie vor aktuell.<br />

∗ Bemerkungen zum Hörspiel in Akzente 4/1961, Seite 331.<br />

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