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theorie des hörspiels und seiner mittel - Mediaculture online

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geistesgeschichtliche Bedeutung dieses permanenten Programms <strong>und</strong> den Schritt von<br />

1750 als <strong>des</strong>sen Voraussetzung begreifen.<br />

Denn als die Musik die theozentrische Ästhetik aufgab <strong>und</strong> statt der Kirche den<br />

Konzertsaal wählte, <strong>und</strong> als die Komponisten mit ihren Musikstücken nicht mehr objektive<br />

Bezüge formten, sondern nur noch Minuten ihrer Seele, lief auch die Zeit nicht mehr wie<br />

das liturgische Jahr im Kreis, sondern bestand aus Bruchstücken. Und wie man<br />

Bruchstücke zusammenzufügen sucht, so setzte man Minutenkompositionen zu<br />

mehrstündigen Konzertabenden aneinander. Das Nummernprogramm war entstanden.<br />

Schon als dies zum erstenmal geschah, im achtzehnten, nicht erst im zwanzigsten<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert, waren die Gr<strong>und</strong>lagen <strong>des</strong> R<strong>und</strong>funkprogramms gegeben. Der R<strong>und</strong>funk ist<br />

dann in der Geschichte der Menschheit das erste Unternehmen, das versucht, den<br />

Zeitfluß ohne Lücke auszufüllen – wobei es nun nicht einmal mehr darauf ankommt, daß<br />

dies gleichmäßig mit Musik geschieht. Alles ist zu bloßen Zeitbruchstücken geworden,<br />

Musik jeder Art <strong>und</strong> Wort jeder Art, ja sogar (in den Gottesdienstübertragungen) das Wort<br />

der Kirche. Das permanente Programm ist schließlich nichts anderes als die zum Tönen<br />

gebrachte empirische, additive Zeit selbst, die melodisch tickende Totenuhr, der Nenner,<br />

auf den sich die ganze Welt bringen läßt. Es hört nie auf, es tönt möglichst nicht zwanzig,<br />

sondern vier<strong>und</strong>zwanzig St<strong>und</strong>en <strong>des</strong> Tags <strong>und</strong> von nun an alle Wochen <strong>und</strong> Monate <strong>und</strong><br />

Jahre bis ans physische Weltende. Damit aber wird dieses permanente Programm das<br />

genaue Gegenteil vom erlösenden Wort, das als das ganz Andere in die Zeit einbrechen<br />

<strong>und</strong> eine eigene, neue Wirklichkeit prägen will. Im permanenten Programm strömt nur die<br />

triviale Wirklichkeit das Geräusch ihres unaufhaltsamen Vergehens aus.<br />

Immer wieder bemüht sich der R<strong>und</strong>funk, von der bloßen Rufreihung zum sinnhaften<br />

Zeitablauf <strong>und</strong> zum Zyklus zu kommen: Jubiläen <strong>und</strong> Gedenktage, Sendereihen <strong>und</strong><br />

Leitideen, Gutenmorgen- <strong>und</strong> Gutenachtsendungen, Sonntagsgottesdienste <strong>und</strong><br />

Frühandachten – das ganze Programmschema ist unter diesem Gesichtspunkt zu sehen.<br />

Eine der großartigsten Möglichkeiten hinterließ Bach mit den r<strong>und</strong> zweih<strong>und</strong>ert Kantaten<br />

in ihrer Bezüglichkeit zum Kirchenjahr. Überhaupt das Kirchenjahr mit seinen Festen – bis<br />

hin zu jener deutenden Gestaltung, die die Sender in Deutschland seit etwa 1951<br />

alljährlich dem Karfreitag zu geben versuchen: in dreistündigen Zyklen Lesungen über die<br />

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