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theorie des hörspiels und seiner mittel - Mediaculture online

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wahr ist oder nicht, sondern die Frage ist, woher diese Theorie ihren Wahrheitsanspruch<br />

nimmt. Aus der konkreten Anschauung <strong>und</strong> aus der konkreten Sprache, daher, wo<br />

Dichtung ihre Ansprüche nehmen müßte, hat sie ihn nicht – oder doch nur im ersten<br />

Drittel <strong>des</strong> Gedichts, wo das nachher negierte Bild <strong>und</strong> der »irreführende« Vorgang<br />

gegeben werden. Der weitere Text setzt eine ideologische, gelernte Theorie, in deren<br />

Dienst die Sprache steht, gegen die von der Sprache beschworene Wirklichkeit <strong>und</strong> lehnt<br />

sie um einer außerkünstlerischen »Wahrheit« willen ab. Das ist das Ende autonomer<br />

Dichtung: sie muß sich, wenn man das akzeptiert, wie alles Wirkliche, an der<br />

kommunistischen Doktrin überprüfen <strong>und</strong> von ihr korrigieren lassen.<br />

In <strong>seiner</strong> Dramaturgie gesteht Brecht der Doktrin diesen Vorrang zu, ja, seine ganze<br />

Lehre vom epischen Theater, seine Verfremdungslehre, alles dient nur dazu, der Doktrin<br />

den Raum zu verschaffen, von dem aus sie, immer gegenwärtig, alle Vorgänge auf der<br />

Bühne überwachen <strong>und</strong> kommentieren kann. Ich muß das so deutlich machen, denn<br />

schließlich ist noch ein abwägender Vergleich nötig zwischen der Theorie <strong>des</strong> Hörspiels,<br />

also <strong>des</strong> lyrischen Theaters, <strong>und</strong> der Theorie <strong>des</strong> epischen Theaters, das ähnlich wie das<br />

Hörspiel alle modernen Stil<strong>mittel</strong> nebeneinander verwendet <strong>und</strong> mit Blende <strong>und</strong> Zeitablauf<br />

nicht minder frei schaltet.<br />

Andrzej Wirth hat in seinem erwähnten Aufsatz im zweiten Brecht-Sonderheft der<br />

Zeitschrift Sinn <strong>und</strong> Form von der »stereometrischen Struktur der Brechtschen Stücke«<br />

gesprochen. Er zeigt, wie Brecht, ausgehend von der Theorie <strong>des</strong> interpretierenden Chors<br />

im Schillerschen Sinn, Mittel findet – vor allem den »Erzähler« oder »Sänger« –, um die<br />

dreidimensionale Illusionswirklichkeit zu zerstören <strong>und</strong> von Ort <strong>und</strong> Zeit unabhängig zu<br />

werden; ich habe das bei der Theorie der Blende – als Reduzierung auf die befreiende<br />

Eindimensionalität – schon erwähnt. Es ist erregend, in Wirths Zusammenfassung<br />

nachzulesen, wie sich daraus für das Brecht-Theater die dem Hörspiel verwandten<br />

Möglichkeiten eine nach der andern ergeben. Mit dem Begriff »Stereometrie« aber will<br />

Wirth sagen, daß Brecht – durch die Befreiung von Aristoteles – statt der räumlichen<br />

Dimensionen drei Stil-Dimensionen eingehandelt habe: die dramatische (in den Szenen,<br />

die vorgespielt werden), die poetische (die lyrische Verbreiterung, die lyrischen Einlagen,<br />

der lyrische »Überbau«, der oft bis ins Musikalisch-Opernhafte geht) <strong>und</strong> die diskursiv-<br />

didaktische. Brecht verwendet alle drei »Ebenen« durcheinander, die Spannung zwischen<br />

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