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theorie des hörspiels und seiner mittel - Mediaculture online

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dem Kategorien verschwinden, andere neu auftauchen, die sich immer mehr isolieren,<br />

manchmal sogar beängstigend an künstliche, chemische Reinheit – um nicht zu sagen an<br />

Sterilität – erinnern. Wahrscheinlich haben sich die beiden verschiedenen Anwendungen<br />

von Sprache noch nie so total auseinanderentwickelt, so vielleicht verhängnisvoll<br />

voneinander geschieden wie heute.<br />

Uns in der westlichen Hemisphäre fällt die vollkommene Subjektivierung <strong>und</strong><br />

Individualisierung in der Lyrik auf; passive, lyrisch-magische Hingegebenheit an die<br />

Sprache ist unsere wichtigste künstlerische Verhaltensweise geworden, die Lyrik unsere<br />

charakteristische literarische Gattung – daneben, aus dem Geiste der Lyrik, das Hörspiel.<br />

Selbst unsere heutige »erzählende« Prosa, wenn es so etwas noch gibt, trat längst aus<br />

dem Präteritum heraus <strong>und</strong> versucht mit lyrischer Beschwörung Vorgänge zu<br />

vergegenwärtigen. Auch die heutige dramatische Dichtung gibt das Leibhaftig-Distanzierte<br />

– die spannende Konfrontation Idee gegen Idee – immer mehr auf, differenziert vielfach<br />

sprachlich-lyrisch, wie Beckett im Godot. Es scheint, als ob die lyrisch-magische<br />

Verhaltensweise immer mehr unsere einzige wird, die wir unter Geburtswehen ganz rein<br />

herausbilden müssen. Man könnte Parallelerscheinungen auch in der Neuen Musik <strong>und</strong> in<br />

der modernen Bildenden Kunst zeigen. Der Weg ist sehr gefährlich, die Gefahr sehr groß,<br />

daß wir zu einer weltlosen, leeren Sprache kommen.<br />

Natürlich hängt das mit der gesellschaftlichen Atomisierung zusammen, in der wir leben.<br />

Normalerweise sind Form <strong>und</strong> Stil fast identische Begriffe, zwei Aspekte der gleichen<br />

Sache. Jetzt aber sind aus den verschiedenen Aspekten verschiedene Dinge geworden,<br />

Form ist kaum mehr zu verwirklichen, ein Absolutismus <strong>des</strong> Stils setzt ein, zwingt den<br />

Künstler, ja, das einzelne Werk, sich seinen Konsequenzen bis ins letzte Detail zu fügen.<br />

Unsere Hoffnung ist, daß wir auf dem Wege solcher Einseitigkeit unversehens auch<br />

einmal auf die Möglichkeit einer neuen Vielfalt, die Voraussetzung einer neuen Form,<br />

stoßen. Zur Zeit ist Kunstausübung, was sie so noch nie war: absolutes Experiment;<br />

Folgerichtigkeit ist ihr einziger Gesichtspunkt, je<strong>des</strong> Werk hat seine eigene<br />

Folgerichtigkeit.<br />

Doch dürfen wir nicht vergessen, daß als Gegenbild daneben im Osten die zwar<br />

keineswegs aktive, dafür aber aktivistische Sprache <strong>des</strong> Kollektivs steht, das Dramatische<br />

auf seine primitivste Alltagsverwirklichung reduziert: auf Befehl <strong>und</strong> Wiederholung <strong>des</strong><br />

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