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theorie des hörspiels und seiner mittel - Mediaculture online

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Wahrheiten <strong>und</strong> Patenten, innerweltlichen <strong>und</strong> außerweltlichen. Insofern ist Eichs<br />

»Kirche« geradezu eine Anti-Kirche, die »Erlösung« durch Festianus geradezu eine Anti-<br />

Lösung, eine Anti-Erlösung.<br />

Genau zeigt sich das, wenn man wiederum auf die Funktion schaut, die Eich der Sprache,<br />

der Dichtung in diesem Zusammenhang gibt. Er, der noch in den Mädchen aus Viterbo<br />

den poetischen Spekulationen die Möglichkeit gelassen hatte: »Vielleicht ist auch ein<br />

Trost darin«, bekennt nun durch Festianus, der versucht hat, Octavia in der Hölle durch<br />

eine Geschichte zu trösten: »Märchen, Erzählungen, vielleicht ein Roman. Octavia meint,<br />

es könnte sie ablenken, es könnte lindern, wenn ich ihr Geschichten erzähle. Aber es<br />

geht mir merkwürdig, ich bringe keine zusammen. Es müßte sich alles von selbst<br />

ergeben, der Kapitän, der Sturm, der Meergott. Aber dann kommen die Verwicklungen –<br />

sie mögen noch hingehen –, die Lösungen – <strong>und</strong> alles ist falsch. Laurentius, ich habe den<br />

Verdacht, daß es keine Lösungen gibt.«<br />

Des Festianus Anti-Kirchlichkeit wie sein Versuch, die bisher nur für Auserwählte<br />

fruchtbare Erlösungstat durch eine Erlösung aller zu überwinden, kommen natürlich nicht<br />

aus resignierendem Agnostizismus <strong>und</strong> erst recht nicht aus irgendeiner hybriden,<br />

aufklärerischen, unfrommen Einstellung. Sie sind eher das Gegenteil: leidenschaftlicher<br />

Protest gegen alles, was die Universalität der Liebe behindert. Der Ketzer Eich<br />

verabsolutiert die Liebe, genauso wie die heilige Ketzerin Simone Weil <strong>und</strong> wie viele<br />

große Ketzer der Weltgeschichte um den Preis der Selbstaufgabe die Liebe immer wieder<br />

verabsolutieren wollten. Katharer <strong>und</strong> Albingenser wurden <strong>des</strong>halb blutig unterdrückt –<br />

von Dogma <strong>und</strong> Ideologie her mit Recht: denn sie wollten ja nicht nur in äußerer Armut<br />

leben, sondern auch in geistlicher, wollten auch, was Wahrheit <strong>und</strong> Heil anbetrifft, keinen<br />

Besitzanspruch stellen. Ihr einziges unentbehrliches Glaubensbekenntnis scheint<br />

gewesen zu sein: daß Gott ewig an <strong>und</strong> in der Welt leide, mit jedem Grashalm, der<br />

zertreten wird, <strong>und</strong> daß wir als Schächer neben ihm hängen; es komme nur darauf an, ob<br />

wir Ja oder Nein dazu sagen <strong>und</strong> daß wir uns nicht in irgendwelche Reservate retten,<br />

auch nicht in intellektuelle.<br />

Hier geschieht etwas wie der Versuch, den paradoxen, mystischen Begriff der Bergpredigt<br />

»Geistlich arm« zu praktizieren: das Gegenteil vom Wissen, aber auch das Gegenteil von<br />

Skepsis. Es ist, um in Eichs Sprache zu reden, der Versuch einer Verwirklichung <strong>des</strong><br />

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