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theorie des hörspiels und seiner mittel - Mediaculture online

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Balken <strong>und</strong> einem andern aus naturgewachsenen Stämmen. Der gewachsene Stamm<br />

kann nicht nur geglättet <strong>und</strong> zur Zweckform reduziert, »bebeilt«, wie die Holzarbeiter<br />

sagen, in den Zusammenhang <strong>des</strong> Baues eingefügt werden, er kann auch seine Urform<br />

behalten. Er ist dann Balken bloß durch die Funktion. Er behält dann – <strong>und</strong> mit ihm der<br />

Bau – etwas Lebendiges <strong>und</strong> Improvisiert-Fragmentarisches. Statt daß durch die<br />

intellektuelle Gestalt, durch Plan <strong>und</strong> Absicht, alles wie durch Mörtel <strong>und</strong> Putz zugedeckt<br />

ist, bleiben in einem solchen Bauwerk sowohl das ursprüngliche Material als auch das<br />

Konstruktive <strong>und</strong> die Idee nebeneinander erkennbar. Nichts scheint in ihm perfekt, alles<br />

wie im Zustand <strong>des</strong> Werdens; die Gesamtform <strong>und</strong> die Naturform der Einzelteile scheinen<br />

miteinander im Kampf zu liegen.<br />

Diese Beschreibung gilt auch für den Hörspieldialog, der freilich nicht ganz so breite<br />

Fugen zwischen den Repliken wie der Theaterdialog nötig hat. Die sichtbaren Mittel der<br />

Darstellung, die so viel Entfaltungsraum brauchen, Gänge <strong>und</strong> Gesten, fehlen dem<br />

Hörspiel ja, es wird in ihm nur mit den Mitteln akustischen Ausdrucks gespielt. Diese Mittel<br />

nehmen etwas weniger Raum zwischen den Worten in Anspruch, ohne in<strong>des</strong> – in der<br />

quasi Nahaufnahme durch das Mikrophon – weniger prägnante<br />

Interpretationsmöglichkeiten zu bieten.<br />

Doch geht es, wenn man Form <strong>und</strong> Charakter <strong>des</strong> Hörspiels aus der Tatsache <strong>des</strong><br />

Dargestellt-Werdens, <strong>des</strong> Gesprochen-Werdens ableitet, durchaus nicht nur um die<br />

lockere Struktur <strong>des</strong> Dialogs, die es – annähernd – mit dem Drama gemeinsam hat,<br />

sondern es geht mehr noch um etwas, was sich im Gesamtduktus eines Hörspiels<br />

ausdrückt: um die epische Gelassenheit, mit der es sich <strong>und</strong> seine Inhalte ausbreitet <strong>und</strong><br />

darbietet. Eine solche Gelassenheit ist auf der Bühne, auch beim epischen Theater,<br />

<strong>und</strong>enkbar. Dort muß der Erzähler immer in erhöhtem Ton zu einem Publikum <strong>und</strong> über<br />

eine Rampe hinweg demonstrieren, er wird nie identisch mit dem, was gezeigt wird, bleibt<br />

stets mehr Arrangeur <strong>und</strong> Erklärer, wird nie Erzähler im Sinne von Erzeuger. Der<br />

Sprechende am R<strong>und</strong>funkmikrophon aber ist dem Hörspielhörer auf Atemhauchdistanz<br />

nahegerückt, <strong>und</strong> handelt es sich um den Erzähler, so steht er nicht neben den Szenen,<br />

die sich aus seinen Worten entwickeln, sondern sozusagen vor ihnen: sie sind nur durch<br />

ihn, indem er sie erzeugt <strong>und</strong> bezeugt.<br />

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