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theorie des hörspiels und seiner mittel - Mediaculture online

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»Da im Ablauf der Zeit eine gewisse Ordnung der äußeren Ereignisse für uns liegt«, muß<br />

man »ein neues Ordnungsprinzip«, eine neue »künstlerische Disposition« einführen. Der<br />

Vorgang ist sehr verwandt dem in der seriellen Musik: das Ordnungsprinzip setzt sich der<br />

Künstler für je<strong>des</strong> Werk an <strong>des</strong>sen Beginn selbst.<br />

Es bestehen, wenn min erst einmal auf den Gedanken gekommen ist, die Musik zum<br />

Vergleich heranzuziehen, die interessantesten Parallelen: alle Formen, bis hin zur<br />

seriellen, werden auch im Hörspiel durchlaufen. Die Sprache erweist sich (ebenso wie die<br />

zwölf Töne in der Musik) nicht nur – passiv – als das Geordnete, sondern gibt auch – aktiv<br />

– das Mittel zur Ordnung, das Ordnungsprinzip ab.<br />

DRITTER TEIL: 1945 BIS HEUTE<br />

WIEDER GESCHIEHT EIN ANFANG IM DUNKELN<br />

Als Auftakt der Hörspielgeschichte zitierten wir – in Ermangelung eines erhaltenen<br />

deutschen Manuskripts – ein englisches Stück, <strong>des</strong>sen Kennzeichen war, daß es im<br />

Dunkeln spielte. Dreißig Jahre später begann in Deutschland – das Hörspiel? nein: das<br />

Leben <strong>des</strong> ganzen Volkes wieder mit einem Schrei aus dem Dunkeln, wenn auch in ganz<br />

anderem Sinn. Nach zwanzig Monaten fast absoluter Totenstarre war dieser Schrei<br />

plötzlich am 13. Februar 1947 das erste Zeichen, daß wir noch lebten. Er müßte, wenn wir<br />

nicht inzwischen zu gedankenlos wären, auch heute noch das Signal sein, dem wir<br />

ablauschen, ob wir noch leben oder ob wir nicht vielleicht am Wohlstand erstickt sind. Die<br />

Geschichte muß am Anfang einer jeden Beschreibung jener Jahre stehen. Kein Bild ist so<br />

im eigentlichen Wortsinn »denkwürdig« wie dieses.<br />

Es war ein todkranker junger Mann, der unser erstes Lebenszeichen von sich gab. Er<br />

glaubte, ein Theaterstück zu schreiben, aber er empfand, daß sein Gedicht »kein Theater<br />

spielen <strong>und</strong> kein Publikum sehen will«, also schrieb er es gegen alle Regeln <strong>des</strong><br />

Theaterspiels. Und nun wurde das Werk immer von allen als Schrei empf<strong>und</strong>en – wohl<br />

nicht nur, weil die Schlußszene mit dem berühmten Aufbegehren Beckmanns endet. Statt<br />

daß dieses Stück ein Theater »spielte« <strong>und</strong> ein Publikum »sah«, tönte es an jenem<br />

Februarabend 1947 weit durch das kohle- <strong>und</strong> lichtlose Dunkel, <strong>und</strong> die Menschen, die<br />

zuhörten, waren viel mehr als ein Publikum, nämlich ein elen<strong>des</strong>, schuldig gewordenes<br />

Volk – eines, das nach der Nacht, in die man es gestürzt hatte, hätte hellhörig werden<br />

199

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