Jahresbericht 2004 - Deutsches Studentenwerk

Bericht des Präsidenten
mehr Chancengerechtigkeit
ist Lackmus-Test
einer
modernen Bildungspolitik
204
gleichberechtigte Zugang zum Studium, unabhängig von der Bildungstradition
und vom Einkommen der Eltern, ist ein noch immer
unerreichtes Ziel.
In keinem anderen europäischen Land gibt es solch einen engen
Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und dem Bildungsweg
wie in Deutschland. In keinem anderen Land zementiert das Bildungssystem
den sozialen Status so sehr wie in Deutschland. Es ist
durchaus nicht abwegig, von einer Kasten-Gesellschaft zu sprechen –
auch wenn uns die damit verbundenen Assoziationen gegen den Strich
gehen. Es ist geradezu skandalös, wenn ein Bildungssystem mit dem
Anspruch, zu fördern und gleiche Bildungschancen zu eröffnen, in Tat
und Wahrheit ein Höchstmaß an sozialer Ungleichheit produziert!
Die ungleiche Verteilung von Bildungschancen ist nicht nur sozial
ungerecht, meine Damen und Herren, sie ist auch ökonomisch widersinnig.
Die Wirtschaft beklagt schon heute, sie steuere in den nächsten
Jahren auf einen Fachkräftemangel zu. Die Zukunftsfähigkeit unseres
Landes hängt davon ab, ob es uns gelingt, Bildungspotenziale zu
erschließen und viel mehr junge Menschen auf hohem bis höchstem
Niveau zu qualifizieren. Wer dieses Ziel ernsthaft verfolgt, der muss
soziale Zugangsschwellen zu höherer Bildung abbauen und keinesfalls
die zu überwindenden Schwellen noch erhöhen! Das gilt natürlich
ganz besonders für den vorschulischen und schulischen Bereich, aber
eben auch für den Hochschulbereich!
Chancengleichheit und Zugangsgerechtigkeit dürfen nicht nur wohlklingende
Postulate in Sonntagsreden sein. Wir brauchen diejenigen,
die dort, wo sie Verantwortung tragen, Schwellen zu besserer Bildung
abbauen, und wir können auf die verzichten, die die Mauern unserer
Kastengesellschaft noch undurchlässiger machen wollen. Wir sagen:
Mehr Chancengerechtigkeit ist der Lackmus-Test einer modernen Bildungspolitik!
Meine Damen und Herren, als Kenner der Materie wissen Sie:
Zu vielen der aktuellen Themen in der Bildungspolitik liefert die
17. Sozialerhebung harte Fakten. Ich will nur zwei Aspekte nochmals
herausstellen.
Die soziale Schere bei der Bildungsbeteiligung
An unserem Bildungssystem partizipieren Kinder aus den verschiedenen
sozialen Herkunftsmilieus in sehr unterschiedlichem Maße.
Laut Sozialerhebung hatten im Jahr 2003 von 100 jungen Leuten im
studierfähigen Alter (19 bis 24 Jahre)