GESCHICHTE

Versuche, eine enropäische Tdrkei zu bilden usw. 563
Am 4. Oktober 1875 hatte sich der junge König Milan
von seinem Ministerpr5.sidenten Stojan Ristitsch getrennt: er war
persönlich im Parlament erschienen und hatte dessen Einwilligung
zur Vorbereitung des Krieges erhalten, um ihm dann
zu erklären, dafs die Mächte eine kriegerische Haltung Serbiens
nicht erlaubten. Seine Meinung drang endlich durch.
Doch hielt sich das neue Ministerium Kaliewitsch auf der Wacht.
Im April 1876 geschahen aber unter den Fenstem des österreichischen
Konsuls in Belgrad heftige Demonstrationen , und
im Mai kam Ristitsch wieder ans Ruder; er machte alsbald eine
Kriegsanleihe von 12 Millionen und gab die Fiihrung des serbischen
Heeres dem plötzlich im Balkan erschienenen russischen
Panslawisten General Tschemajew, der in Zentralasien eine kecke,
abenteuerliche Politik getrieben hatte; im selben Monate , am
26. Mai, wurde auch die Allianz mit Montenegro unterzeichnet.
Am 9. Juni liefs die Pforte die serbische Regierung iiber
ihre Absichten befragen. Ristitsch verlangte von Gortschakow
Bosnien ftir das Fiirstentum Milans , und fiir Montenegro die
Herzegowina: hatte doch Ignatiew selbst die Teilung I3osniens
zwischen Österreich und Serbien befiirwortet 1)! Am 29. Juni
wurden diese sonderbaren Forderungen in Konstantinopel vorgetragen,
und bei der Weigerung der Pforte der Krieg erkart:
in erster Linie konnte der Fiirst 80 Bataillone Infanterie, 33 Eskadronen
Kavallerie, 27 Batterien, in zweiter 8o andere Infanteriebataillone
stellen 2). Nach einigen Tagen tat Fiirst Nikita von
Montenegro, ein alter Feind, dasselbe.
Sogleich setzten sich Osman-Pascha von Vidin, Ahmed-
Ejub von Pirot und der aus Nisch marschierende Seraskier oder
Serdar-Ekrem Abdul-Kerim in Bewegung. Im Juli wurden die
Serben von letzterem bei Zaitschar und Bregowo besiegt , während
die Montenegriner die alten herzegowinischen Plätze Stolac,
Nevesinie und Blagaj mit Erfolg berannten; bei Vaidol wurde
z) Auch M o rl et a. a. a S. 102, Anm. r.; nach Russias work in Turkey",
Bamberg a. a. O. S. 429ff.
2) Rtistow a. a. 0. S. 120-221. Ober die riicksichtslose Konspiratorenpolitik
Ignatiews siehe das such später zu erwähnende neue Buch Ti lars und
Insab atos, Der erlöschende Halbmond, Frankfurt a. M. 1909.
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