GESCHICHTE

Der Russisch-Tiirkische Krieg 1877-1878 und seine Folgen. 581
der Gedanke eines europäischen Kongresses auf, den
Andrássy Anfang des Jahres in Baden-Baden vereinigen wollte.
Rufsland hatte nun kaum ein Heer, und Kundgebungen wie die
der rebellischen Pomaken gegen die vorläufige christliche Regierung
im Rhodope, oder wie der Versuch der Jungtiirken,
Sultan Murad, als Erneuerer des Krieges, wieder einzusetzen,
machten die russische Diplomatie willfähriger, sich vor das
europäische Gericht zu stellen. Ihrerseits hatte die Pforte, die
nun von dem alten Mehmed Ruschdi gefiihrt wurde, nur auf England
ihre Hoffnungen gesetzt: um seine Unterstützung zu erlangen
aber nur im Falle, dafs die Russen Kars und die
armenischen Plätze nicht räumen wollten übergab sie an den
interessierten Freund Zypern mit der Bedingung, dafs die religiösen
Rechte der Mohammedaner respektiert wiirden; um einen
Schatten von Souveränitätsrechten zu behalten, verlangte sie,
dais der Sultan einen Kommissar ernennen diirfe, und dais ein
Teil der Einkünfte ihm zugeschickt werde (4. Juni).
Der eur op äis ch e Kongrefs war aber bei der verschiedenartigen,
entschiedenen Änderung des europäischen Vertrags
von Paris eine absolute Notwendigkeit: iiber die neuen Grenzen
auf der Balkanhalbinsel, iiber die Unabhängigkeit des zu den
Friedensverhandlungen, da seine Unabhängigkeit nicht anerkannt
worden war1), nicht zugelassenen Rumäniens 2), dann Serbiens und
Montenegros, sollten die Vertreter der Grofsmä.chte, die schon
am 13. Juni der Einladung Bismarcks gefolgt waren, entscheiden.
Aufserdem hatte Griechenland, für welches Gladstone eingetreten
war, obgleich es, durch das in Thessalien aufgestellte tiirkische
Korps verhindert, am Kriege nicht teilgenommen hatte, seine
Ansprüche vorzutragen 8).
In Berlin begann somit, wie es im Einladungsschreiben
stand, die freie Diskussion des gesamten Vertrages von San-
I) Ebenda S. 450.
Die nenen rumänischen Bedingungen, darunter eine Entschädigung von
loo Millionen mit dem Recht, das rechte Donanufer als Garantie zu behalten,
ebenda S. 437.
Vgl. ebenda S. 187, 466.