GESCHICHTE

Die Ttirkei Abdal-Hamids nach dem Berliner Vertrag. 599
Bauem, welche durch die willkiirliche Erhebung der Steuem, durch
die Ztigellosigkeit der albanesischen Gendarmen, durch die despotische
Haltung der tiirkischen Grofsgrundbesitzer zu Vorlampfern
der bulgarischen Autonomie oder des hellenischen Mazedoniens
erzogen wurden. Die tiirki.sche Herrschaft in diesen
Gebieten sollte erhalten und sogar durch emste , aufrichtige,
unter europäischer Kontrolle ausgefiihrte Reformen verstarkt
werden. Ein von den Mdchten angenommener Gouverneur, wie
im Libanon, ein spezielles Budget fiir jedes der Wilajets und
europäische Inspektoren sollten dazu wesentlich beitragen 1).
Bald hatte die Pforte, schon am 30. November des Jahres,
zwei Kommissionen ernannt, die eine in Konstantinopel, die andere
in Mazedonien , die sich mit der schwebenden Frage beschäftigen
sollten, und zum Verwalter der ganzen Provinz wurde
Hussein -Hilmi- Pascha ernannt. Ein feierliches Iradeh verftigte
fiir das ganze Reich die Einsetzung von neuen Direktoren fiir
die öffentlichen Arbeiten , den Ackerbau und den Unterricht,
sowie die eines politischen Direktors" neben jedem Gouverneur;
auch Christen durften Gendarmen sein ; die Mitglieder der Tribunale
sollten vom Justizminister ernannt werden; eine eigene
Kommission mufste die Berichte des Gouverneurs empfangen.
Das iibrige war kaum etwas anderes als die Wiederholung friiherer
reformatorischer Mafsregeln und Versprechen , dafs die
Beamten ehrlich und tiichtig werden sollten 2).
Ihrerseits hatten aber die Vertreter Rufslands , Sinowiew,
und Osterreichs, Baron Calice, ein anderes Projekt ausgearbeitet,
das auch von den anderen Mächten angenommen wurde. Ein
Gouverneur ftir drei Jahre , dessen Absetzung nur mit Einwilligung
Europas erfolgen konnte , sollte von Rechts wegen als
beinahe autonomer Verwalter fungieren; die neue Gendarmerie
wird von fremden Offizieren aus dem Westen gebildet und
unterrichtet werden; das von Steeg ausgearbeitete Budget ftir
Mazedonien wurde beibehalten ; die Zehnten hatten nicht mehr
Pächter zu erheben, sondem jede Gemeinde auf sich zu nehmen 8).
I) Ebenda S. 134. 2) Ebenda S. 137-142.
3) Die Kritik bei Bérard, Pro Macedonia, Paris 1904, S. 30 ff., 56 ff.