GESCHICHTE

Die Revolution. Nene Zeiten nnd alte Sitten. 615
neben der die schwierige, mit vielen Kränkungen und grofsen
Gefahren verbundene Beteiligung am konstantinopolitanischen
Leben eine lokale Politik im osmanischen Sinne hatten alle
Hatihumajums, Fermane nnd Iradehs nicht schaffen können
als fruchtlos erscheinen sollte. Die Alttiirken waren längst
iiberzeugt, dafs die guten Zeiten fiir immer voriiber waren: sie
sahen, wie die aus der Dobrudscha, aus Bulgarien, Montenegro,
Thessalien 1), Kreta gefliichteten Glaubensgenossen sich nach
Asien wandten, um dort unter dem Schutze des Padischahs ihr
kiimmerliches Leben fristen zu können, und jeder von den Zuschauern
jenseits der Meerengen hielt sich bereit, bei einer nicht
mehr lange zu vermeidenden Notwendigkeit dasselbe zu tun. Die
Jungen dachten nur an Beförderung im Staatsdienste, um gegen
eine sehr schlechte Bezahlung noch schlechtere Dienste zu verrichten
: die Schulen lieferten eigentlich nur Kandidaten fiir die
immer zahlreichéren Bureaus, in denen sich orientalische Trägheit
mit abendländischer Aktenschreiberei vereinigte, um die
Interessierten zu schikanieren und auszubeuten. Die religiöse
Klasse der Ulemas war nach dem Falle des freidenkerischen
Midhats, der den Islam nur zeitweilig, aus Riicksicht auf die
zuriickgebliebene Bevölkerung dulden wollte, zu gröfserem Einflufs
gelangt: sie batten im Juli 1879 den Wesir Khaireddin,
weil er die Macht des ersten Ministers stärken wollte, gestiirzt
2) , aber etwas anderes als Volksschulen zum Lesen- und
Schreibenlernen zu halten, im Scheriatgerichte nach der Stellung
und den Geldopfern der Parteien2) zu urteilen, in den Kahwenehs
gegen die liberale Gesinnung der Beamten zu sprechen,
Tumulte und unsinnige barbarische Mordszenen, wie jene von Saloniki
und Dschedda, zu veranstalten, verstanden die unwisssenden
Theologen eigentlich nicht. Das Parlament war nach 1878 nicht
mehr einberufen worden, und der Rat der gehorsamen Jaherren"
hatte sich als nicht notwendig erwiesen. Die Minister waren
kaum würdig, ihre unbedeutenden Namen in die Annalen des
I) De Launay, Chez les Grecs de Turqnie, Paris 1897, S. 188 ff.
Von Sax a. a. O. S. 482.
Vgl. Dutemple, passim.