GESCHICHTE

612 Drittes Bach. Siebentes Kapitel.
und die Verfolgung und Hinrichtung aller Angehörigen der armenischen
Nation fand am 27. und 28. August in Konstantinopel
statt; an diesen armen, arbeitsamen Leuten hatte eben
die Plebs der Hauptstadt gefiirchtete Konkurrenten gefunden 1).
Die Mordszenen dauerten einen ganzen Tag und eine ganze Nacht.
Diesmal war es klar, dafs der Sultan, der doch die Privilegienakte
vom 20. Oktober 1895 erteilt hatte, das Gemetzel, wenn er es nicht
angezettelt hatte, doch förmlich gestattete: es war einfach erlaubt,
jeden auf der Strafse getroffenen Armenier niederzuhauen. Und,
wie zu erwarten war, fand diese unerhörte Barbarei in Asien
Widerhall; was nicht ermordet wurde, bekannte sich häufig zum
Islam oder gelangte an den Bettelstab 2). Unter allen Mächten
nahm aber nur England allein dessen Vizekonsul im arabischen
Dscheddah neuerdings von Fanatikern ermordet worden
war 3) eine drobende Stellung ein und wandte sich an den
Sultan , indem es ihm von der. Gefahr,, seinen Thron zu verlieren,
sprach 4). Es folgten nun Mordtaten in Adana und
Tokat (1897) und als Antwort darauf Bombenattentate in Konstantinop
el.
Die Reformen vom Monat Oktober 1895: christliche Vizegouvemeure
(Muawins) der Walis , christliche Beamte und
Justizinspektoren, ja auch Feldwächter, Verpachtung des Zehnten
an die Dörfer, , Einschränkung der Kurdenwanderungen, Einsetzung
der mit den Gesandtschaften in Beziehung stehenden
Kontrollkommission, blieben dennoch auch nachdem in Kraft 6).
An eine Beruhigung der Gemiiter war aber nicht zu denken:
wie vorher standen sich Kurden und Armenier gegeniiber , und
die Regierung war ihnen gegenilber machtlos und manchmal auch
zaghaft 6). 1899 entspannen sich neue Kämpfe.
Ebenda S. 232.
Ebenda S. 340. Vgl. Ruch August Wagner, Reisebilder aus Griechenland
nnd der Tiirkei, Passaner Gymnasialprogramm 1896.
Von Sax a. a. O. S. 514.
Drianit a. a. 0.
S ch o p o f f, Les réformes et la protection des chrétiens en Tarquie
(mir unzugänglich); Bérard a. a. 0. S. 313 ff.; von Sax a. a. 0. S. 5o6 ff.
Ebenda S. 525-526.