Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen
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Zur Syntax des deutschen Gedichts 97<br />
sche Besonderheiten sowie in den Sonett-Texten vorkommende einzelne syntaktische<br />
<strong>und</strong> stilistische Phänomene auszuschließen. Analyse <strong>und</strong> Interpretation dieser<br />
Strukturen erfolgen funktionsbezogen. Im Anschluss daran werden Gemeinsamkeiten<br />
<strong>und</strong> Unterschiede ermittelt. Zugleich werden bereits vorliegende Untersuchungen<br />
zu Sonetten fortgesetzt <strong>und</strong> vervollständigt (Schapovalova 2007, 2007a,<br />
2009).<br />
Materialgr<strong>und</strong>lage<br />
Im Folgenden werden anhand von vier ausgewählten klassischen Sonetten 1 vom<br />
Barock bis zum 20. Jahrh<strong>und</strong>ert (insgesamt 33 Gesamtsätze) charakteristische<br />
Elemente der deutschen Sonettdichtung unter diachronem Aspekt vorgestellt. Es<br />
wird je ein Sonett der folgenden Autoren analysiert: C. R. von Greiffenberg, J. W.<br />
von Goethe, R. M. Rilke <strong>und</strong> J. R. Becher. Sie sind jeweils in zwei Quartette <strong>und</strong><br />
zwei Terzette unterteilt; jede Strophe, die oft auch eine Sinneinheit darstellt, ist mit<br />
Satzschlusszeichen beschlossen. Untersucht werden Satztypen bei isolierten einfachen<br />
Sätzen, parataktische, ausschließlich hypotaktische <strong>und</strong> parataktischhypotaktische<br />
Verbindungen. Auch besondere syntaktische Einzelerscheinungen<br />
sollen Erwähnung finden.<br />
Der syntaktische Bau der Sonette<br />
Catharina Regina von Greiffenberg<br />
(15) 2<br />
Auf die erniedrigende Erhebung<br />
<strong>und</strong> erhebte Nidrigkeit.<br />
Es führt ein W<strong>und</strong>er thun der Herrscher aller Welt:<br />
wen Er erheben will / der muß die Knie vor biegen.<br />
der muß onmächtig seyn / der neue Krafft soll kriegen.<br />
wer ganz nichts von sich selbst / von dem er etwas / hält.<br />
1 Die Sonette, deren einzelne Strophen voneinander durch Punkt, Frage- <strong>und</strong> Ausrufezeichen getrennt<br />
sind, gelten als klassisch. Sie entsprechen dem strengen italienischen Regelkanon. Die zu untersuchenden<br />
Sonette halten sich alle an das klassische Schema der zwei Vier- <strong>und</strong> zwei Dreizeiler. In<br />
jeder Hinsicht streng nach dem klassischen Muster sind die Sonette nur bei C. R. v. Greiffenberg <strong>und</strong><br />
J. W. v. Goethe gebaut, wobei das Sonett der Greiffenberg im Alexandriner, das Goethes im fünffüßigen<br />
Jambus abgefasst ist. Die Sonette Rilkes <strong>und</strong> Bechers wenden das klassische Schema sowohl<br />
hinsichtlich des Reimes als auch der Zahl der Versfüße innerhalb der Zeilenpaare mit äußerster<br />
Freiheit an; sie stehen zwischen dem traditionellem <strong>und</strong> dem freien Vers. Die Reimschemata <strong>und</strong><br />
Rhythmen variieren.<br />
2 Bei der Aufnahme der Sonette in das Materialkorpus wurde ihre in den unten genannten Ausgaben<br />
vorhandene Nummerierung beibehalten.