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Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen

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Janka Koeva<br />

mit den bisher ausgearbeiteten Konzepten für einen interkulturell orientierten<br />

DaF-Unterricht überein (Neuner/Hunfeld 1993: 113, zit. nach Roche 2001: 170f.):<br />

Familie, Bildung, Arbeit, Identität, Mobilität, Umwelt, Wirtschaft, Europa, Demokratie. Die<br />

Auswahl der fiktionalen Texte stellt eine ausgeglichene Kombination zwischen<br />

berühmten Nobelpreisträgern, populärer Unterhaltungs- <strong>und</strong> Massenliteratur <strong>und</strong><br />

zeitgenössischen Bestsellerautoren dar. Es wird auf eine bikulturelle Verständigung<br />

<strong>und</strong> auf das Sprach- bzw. Kulturkontrastive gezielt. Die zitierten Beispiele werden<br />

dem ersten Lehrwerkkapitel Familie entnommen.<br />

Die Einführung neuer sprachlicher <strong>und</strong> kultureller Strukturen beim interkulturellen<br />

Lernen, bei dem sich hermeneutische <strong>und</strong> psychologische Aspekte verflechten,<br />

läuft in vier Phasen ab: Aktivierung, Differenzierung, Expansion, Integration<br />

(Roche 2001: 174-176). Lesen <strong>und</strong> Schreiben treten in der Differenzierungs- <strong>und</strong><br />

Expansionsphase in den Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Die Aktivierungsphase (Vorentlastung) führt die Lerner ins Thema ein (vorwiegend<br />

durch Bilder <strong>und</strong> Assoziationsübungen) <strong>und</strong> aktiviert ihr Vorwissen.<br />

Die thematische Differenzierungsphase (der erste Haupttext, der im Lehrwerk immer ein<br />

Fiktionstext ist) stellt eine bestimmte Betrachtungsweise des Themas dar, die mit<br />

den Meinungen <strong>und</strong> Ansichten der Lerner nicht übereinstimmen müsste. Im Text<br />

sind wichtige sprachliche Mittel zu finden, die beim globalen Lesen die Lösung der<br />

Aufgaben sichern. Es wird assoziatives Denken <strong>und</strong> Vergleichen verlangt. Diese<br />

Phase verläuft auf der Gr<strong>und</strong>lage eines Romanauszuges aus „Die gerettete Zunge“,<br />

dessen Autor in Bulgarien geboren wurde:<br />

LI 1. Lesen Sie folgenden Text <strong>und</strong> beantworten Sie die Fragen:<br />

• Warum war die deutsche <strong>Sprache</strong> eine ganz besondere für Canettis Eltern?<br />

• Wie reagiert der kleine Sohn auf die fremde <strong>Sprache</strong> zu Hause?<br />

Aus: Elias Canetti, Die gerettete Zunge (1977)<br />

Die Zaubersprache<br />

Wenn der Vater vom Geschäft nach Hause kam, sprach er gleich mit der Mutter.<br />

Sie liebten sich sehr in dieser Zeit <strong>und</strong> hatten eine eigene <strong>Sprache</strong> unter sich, die<br />

ich nicht verstand, sie sprachen Deutsch, die <strong>Sprache</strong> ihrer glücklichen Schulzeit<br />

in Wien. Am liebsten sprachen sie vom Burgtheater, da hatten sie, noch bevor sie<br />

sich kannten, dieselben Stücke <strong>und</strong> dieselben Schauspieler gesehen <strong>und</strong> kamen mit<br />

ihren Erinnerungen darüber nie zu Ende. Später erfuhr ich, dass sie sich unter<br />

solchen Gesprächen ineinander verliebt hatten, <strong>und</strong> während sie einzeln nicht imstande<br />

gewesen waren, den Traum vom Theater wahrzumachen – beide wären für<br />

ihr Leben gern Schauspieler geworden – gelang es ihnen zusammen die Heirat<br />

durchzusetzen, gegen die es viele Widerstände gab.<br />

Der Großvater Arditti, aus einer der ältesten <strong>und</strong> wohlhabendsten Spaniolen-<br />

Familien in Bulgarien, widersetzte sich einer Ehe seiner Jüngsten, die seine Lieblingstochter<br />

war, mit dem Sohn eines Emporkömmlings aus Adrianopel. Der<br />

Großvater Canetti hatte sich selbst heraufgearbeitet, von einem betrogenen Wai-

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