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Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen

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Andreas Jahn-Sudmann<br />

die spezifische Erfahrungsqualität ihres displacement verweist. Wie Naficy betont,<br />

sind accented films gleichzeitig lokal <strong>und</strong> global. Auf der einen Seite grenzen sie sich<br />

von den (global) dominanten Kino-/Filmpraktiken ab <strong>und</strong> profitieren gleichzeitig<br />

davon. „As such, the best of the accented films signify and signify upon the conditions<br />

both of exile and diaspora and of cinema.“ (Naficy 2001: 4) Accented films sind<br />

darüber hinaus häufig zwei- oder mehrsprachig <strong>und</strong> verarbeiten unterschiedliche<br />

ästhetische Impulse, Einflüsse, Traditionen, die gleichermaßen aus dem Herkunftswie<br />

aus dem Aufnahmeland stammen. Laut Naficy ist das accented cinema weder<br />

etabliert noch wirklich zusammenhängend, insofern es sich in einem Status der<br />

Herausbildung <strong>und</strong> Entwicklung in disparaten <strong>und</strong> zerstreuten Teilen der Welt<br />

befindet. Gleichwohl handelt es sich um ein ausgesprochen relevantes Kino, sowohl<br />

in Bezug auf den nicht unerheblichen Output an Filmen, die man unter der<br />

Kategorie subsumieren kann als auch in Bezug auf die <strong>Vielfalt</strong> seiner ästhetischen<br />

Formen <strong>und</strong> nicht zuletzt mit Blick auf dessen sozialen Einfluss, der weit über die<br />

Exil- <strong>und</strong> diasporischen Gemeinschaften hinausreicht.<br />

Neben den Konzepten von Naficy gibt es eine Reihe weiterer Ansätze <strong>und</strong><br />

Arbeiten, die – auch wenn sie manchmal den Begriff des Transnationalen keineswegs<br />

vorbehaltlos bejahen – dennoch für einen trans- oder postnationalen Perspektivenwechsel<br />

in der Filmwissenschaft stehen.<br />

So hat Thomas Elsaesser als Reflexion insbesondere transnationaler bzw.<br />

transkultureller Aspekte des europäischen Kinos den Begriff cinema of double<br />

occupancy eingeführt. Laut Elsaesser handelt es sich beim cinema of double occupancy um<br />

ein neues europäisches, post-nationales Kino, das durch „hyphenated identities“ <strong>und</strong><br />

deren konfliktgeladene Zugehörigkeitsgefühle geprägt sei. Elsaesser meint mit<br />

hyphenated identities einerseits die Immigranten, Flüchtlinge <strong>und</strong> Asylsuchenden, die<br />

auf einer subnationalen Ebene in diasporischen Gemeinschaften leben <strong>und</strong> nach<br />

außen <strong>und</strong> nach innen kulturell, sozial <strong>und</strong> sprachlich abgeschottet sind, sowie<br />

andererseits solche Migranten, die bereits in der zweiten Generation im Einwanderungsland<br />

leben <strong>und</strong> insofern Fähigkeiten (sprachliche, kulturelle) herausgebildet<br />

haben, um sich in der Gesellschaft, in der sie leben, zu behaupten, sich gleichzeitig<br />

aber, etwa aufgr<strong>und</strong> von Diskriminierungserfahrungen, nicht zu der Gesellschaft<br />

zugehörig fühlen <strong>und</strong> nicht zuletzt aufgr<strong>und</strong> des unterschiedlichen Erfahrungshorizontes<br />

sich auch von den Eltern (bzw. von der Elterngeneration) „entfremdet“<br />

haben. Im günstigsten Fall, so Elsaesser, haben diese Menschen Räume gef<strong>und</strong>en,<br />

die es ihnen erlauben, Differenz für sich auszuhandeln, <strong>und</strong> sind zu Bindestrich-<br />

Mitgliedern der Nation geworden, „meaning that their identity can come from a<br />

double occupancy which here functions as a divided allegiance: the nation-state<br />

into which they were born, and to the homeland from which (one or both of) their<br />

parents came.“ (Elsaesser 2005: 118)<br />

In der deutschsprachigen Diskussion bzw. mit Bezug auf deutsche Migrationsverhältnisse<br />

hat ferner Georg Seeßlen in einem im Jahr 2000 erschienenen Artikel<br />

in der epd-Film von einem „Kino der doppelten Kulturen“ oder „Métissage Filmen“<br />

(métissage films) gesprochen (Seeßlen 2000: 12). Damit sind Filme gemeint,

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