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Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen

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66<br />

Ljudmila Ivanova<br />

Obwohl man sich gr<strong>und</strong>sätzlich darüber im Klaren ist, was ein Übersetzer/Dolmetscher<br />

braucht, ist man im realen Unterricht doch noch manchmal weit<br />

vom Idealfall entfernt. Im Folgenden soll kurz auf einige Defizite im Unterricht<br />

hingewiesen werden, die immer noch der Sprachmittlerausbildung anhaften:<br />

Nicht selten lassen sich Universitätsdozenten vom stark ausgeprägten Streben<br />

verleiten, Unmengen von deklarativem Wissen zu vermitteln. Man trennt sich<br />

schwer von der Rolle des Lehrers als wichtigster Wissensvermittlungsinstanz <strong>und</strong><br />

versucht im Sinne des Aufklärungsideals eine allseitig informierte Persönlichkeit<br />

heranzubilden. Die Nachteile eines derartigen Vorgehens liegen klar auf der Hand:<br />

Die Studierenden erdrücken unter der Last der Informationen, fühlen sich im Informationsmeer<br />

verloren <strong>und</strong> bleiben in der Regel passiv, weil sie angesichts der<br />

Informationsflut nicht mehr die Kraft haben, auch noch selbständig zu recherchieren.<br />

Die Folge davon: Nach einer abgelegten Prüfung wird dieses Wissen schnell<br />

vergessen. So erleben Lehrkräfte mit Verw<strong>und</strong>erung, wie ihre Studenten letzten<br />

Endes wichtige <strong>und</strong> manchmal markante Sachverhalte nicht wiedererkennen können.<br />

Die Lösung wäre in einer Auflistung des Muss für zukünftige Sprachmittler zu<br />

suchen.<br />

Viele Lehrkräfte vernachlässigen die Förderung der Recherchierkompetenz. 16<br />

Aber auch die Studierenden haben sich mit der Idee des lebenslangen autonomen<br />

Lernens noch nicht angefre<strong>und</strong>et <strong>und</strong> übersehen, dass die beruflichen Kompetenzen<br />

ein ständiges Weiterlernen verlangen. Natürlich kann man nicht alles wissen,<br />

aber man muss besonders im Übersetzer-/Dolmetscherberuf stets auf dem Laufenden<br />

sein. Um das zu gewährleisten, muss man mit allen möglichen Informationsquellen<br />

<strong>und</strong> mit ihrem Potenzial vertraut sein. Das wäre neben der Vermittlung<br />

von Wissen wahrscheinlich die wichtigste Aufgabe der Ausbildungsinstanzen.<br />

Kulturprobleme werden oft ausschließlich vergangenheitsbezogen behandelt,<br />

die Gegenwart oder die jüngste Geschichte werden seltener unter die Lupe genommen.<br />

Die Folge davon erlebt man im Übersetzungsunterricht, wo gerade ein<br />

Mangel an gegenwartsbezogenem Wissen für Fehlentscheidungen sorgt. 17<br />

Ein weiteres Defizit macht sich bei der Wahl der Texte bemerkbar, mit denen<br />

im Unterricht gearbeitet wird. Der Versuchung, die Kulturproblematik vor allem<br />

an literarischen <strong>und</strong> in vielen Fällen an älteren Texten zu exemplifizieren, wo diese<br />

leichter zugänglich scheint, ist schwer zu widerstehen. Dabei wird übersehen, dass<br />

die meisten Übersetzer heute selten mit derartigen Texten arbeiten <strong>und</strong> vielmehr<br />

mit unterschwelligen Kulturunterschieden zu tun haben. Daher erscheint die präzise<br />

Auswahl der zu übersetzenden Texte als ein wichtiges Element im Unterricht.<br />

16 Immer noch wird sehr tolerant <strong>und</strong> umsichtig mit Studierenden umgegangen, die die Mühe scheuen,<br />

selber zu recherchieren, <strong>und</strong> die sich auf die Hilfe der Kommilitonen oder des Lehrers verlassen.<br />

17 Dazu folgende Belege aus der Unterrichtspraxis: Das Vorkommen des Toponyms Hindukusch<br />

konnte nicht mit dem Afghanistan-Einsatz in Verbindung gebracht werden, stattdessen wurde eine<br />

semantische Nähe zum Verb kuscheln vermutet; die 68er wurden aufgr<strong>und</strong> mangelnder Kenntnisse als<br />

Personen im Alter von 68 Jahren aufgefasst.

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