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Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen

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Wie europäisch ist das deutsche Theater? 195<br />

von einer begrenzten Reichweite: Das ist seine Stärke <strong>und</strong> seine Schwäche zugleich.<br />

Natürlich gab <strong>und</strong> gibt es auch im Sprechtheater Persönlichkeiten von europäischem<br />

Format <strong>und</strong> weit über das Regionale <strong>und</strong> Nationale hinausweisender Ausstrahlung:<br />

Konstantin Sergejewitsch Stanislawski <strong>und</strong> sein Moskauer Künstlertheater;<br />

Max Reinhardt mit seinem gesamtkünstlerischen Ansatz, Peter Brook, Ariane<br />

Mnouchkine mit ihrem Théâtre du Soleil, Peter Zadek oder Luc Bondy. Diese Regisseure<br />

<strong>und</strong> Theatermacher haben durch ihren spezifischen künstlerischen Ansatz,<br />

ihr über Sprach- <strong>und</strong> Landesgrenzen hinausweisendes Schaffen, Wegmarken in der<br />

europäischen Theatergeschichte gesetzt.<br />

Dem gegenüber stehen die sehr eigenen, historisch gewachsenen Theatersysteme,<br />

die schon organisatorisch wenig kompatibel sind: die auf eine Metropole<br />

ausgerichteten Kulturnationen wie Frankreich oder England. Die auf eine freie,<br />

flexible Arbeitsweise gründende Tradition, wie sie etwa in Belgien <strong>und</strong> den Niederlanden<br />

anzutreffen ist. Und schließlich das föderale <strong>und</strong> weit verzweigte öffentliche<br />

Theatermodell, das als – ausnahmsweise erfreuliches – Erbe <strong>deutscher</strong> Kleinstaaterei<br />

die hiesige Darstellungskunst bis heute prägt.<br />

Deutschland verfügt über ein dichtes Netz von Staats-, Stadt- <strong>und</strong> Landestheater,<br />

die allesamt aus öffentlichen Mitteln gefördert werden. Dabei sind die Staatstheater,<br />

anders als der Name vermuten lässt, keineswegs in Berlin angesiedelt, sondern<br />

malerisch über das ganze Land verteilt. Fast jedes B<strong>und</strong>esland leistet sich zwischen<br />

einem <strong>und</strong> drei solcher Häuser als kulturelle Aushängeschilder. Niedersachsen zum<br />

Beispiel, das B<strong>und</strong>esland, zu dem auch <strong>Göttingen</strong> gehört, betreibt drei Staatstheater<br />

– <strong>und</strong> zwar in Hannover, Braunschweig <strong>und</strong> Oldenburg. Dazu kommen die<br />

Stadttheater, die die Menschen vor Ort kulturell bereichern sollen, <strong>und</strong> die Landestheater,<br />

die mit mobilen Produktionen die Fläche bespielen, das heißt in all jenen kleinen<br />

<strong>und</strong> mittelgroßen Städten gastieren, die über keinen eigenen professionellen Theaterbetrieb<br />

verfügen. All diese Theater beschäftigen ein stehendes Ensemble, also fest<br />

angestellte Schauspieler, Sänger, Tänzer, Orchestermusiker, Chöre, Dramaturgen,<br />

Techniker <strong>und</strong> Handwerker, <strong>und</strong> erarbeiten pro Jahr ein vielfältiges Repertoire von<br />

Schauspielen, Opern <strong>und</strong> Tanzabenden. Als vierte Sparte wird vielerorts zudem ein<br />

eigenes Programm für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche angeboten. Das Schauspiel ist die<br />

quantitativ stärkste Sparte. Über ein eigenes Tanz- <strong>und</strong> Musiktheater verfügen nur<br />

Staats- <strong>und</strong> große Stadttheater. Auf dem Spielplan des Schauspiels stehen neben<br />

dem deutschen, europäischen <strong>und</strong> nordamerikanischen Dramenkanon Gegenwartsstücke<br />

aus eben diesen Kulturkreisen. Ausnahmen bestätigen – zumindest<br />

bislang – die Regel. Ungeachtet der <strong>Vielfalt</strong> der Titel <strong>und</strong> Themen verstehen sich<br />

die Theater – sieht man einmal von den Bühnen in Berlin, Hamburg <strong>und</strong> München<br />

ab – dezidiert als regionale Umschlagplätze von Kunst <strong>und</strong> Kommunikation.<br />

Kaum ein <strong>deutscher</strong> Intendant, der sein Amt ohne das Bekenntnis antritt, Theater<br />

für die Stadt <strong>und</strong> die Region machen zu wollen, wohl wissend, dass ihn mittelfristig nur<br />

eine überregionale Resonanz im Sattel hält. Ein Widerspruch, der im deutschen<br />

Theater gewissermaßen systemimmanent ist: Einerseits möchte man sein Theater

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