Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen
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198<br />
Matthias Schubert<br />
Schulze, der Intendant des Osnabrücker Theaters, fasste seine Erfahrungen auf<br />
dem Spielplatz Europa wie folgt zusammen:<br />
IV.<br />
„Das Spannende ist ja, dass man erst, indem man zusammenrückt, bemerkt, worin die<br />
kulturellen Unterschiede wirklich bestehen. Das erfahren wir mit unserem bulgarischen<br />
Partnertheater sehr konkret. Beim Frauenbild. Bei der Frage, was ein Intendant ist.<br />
Oder welche Bedeutung einzelne Bilder haben. Obwohl im Zusammenhang mit dem<br />
Thema Globalisierung immer so getan wird, als ob alles überall gleich ist, ist es das gar<br />
nicht.“<br />
Bis hierher habe ich versucht, Bewegungen <strong>und</strong> Tendenzen im deutschen Theater<br />
aufzuzeigen, zum Abschluss möchte ich einige Thesen <strong>und</strong> Bewertungen abgeben<br />
<strong>und</strong> zur Diskussion stellen. Es ist, wie schon gesagt, nicht die Frage, ob Europa auf<br />
den Bühnen in Deutschland vorkommt. Dass dem so ist, liegt in der Geschichte<br />
der Kunstform, im internationalen Stückekanon <strong>und</strong> in der Mobilität der Theaterkünstler<br />
begründet. Umstritten ist <strong>und</strong> bleibt hingegen, welche Formen des Austausches<br />
das Theater als Kunstform weiterbringt, welche Prozesse der Selbst- <strong>und</strong><br />
Fremdwahrnehmung das Theater zu initiieren vermag, inwieweit das Theater in<br />
politische Dimensionen vordringt, sich womöglich gar zum Instrument der Politik<br />
machen lässt. Entscheidend für das Gelingen eines Theaterabends wird dabei immer<br />
bleiben, mit welcher Intensität sich Akteure <strong>und</strong> Publikum in den unwiederholbaren<br />
Momenten einer Theatervorstellung begegnen. Mit welcher Dringlichkeit<br />
die Gefühle <strong>und</strong> Gedanken der Figuren sich auf uns Zuschauer übertragen. Dieses<br />
kann auf ganz verschiedenen Wegen geschehen:<br />
Die Kunst der Übersetzung. Stücke aus Europa werden entdeckt, empfohlen, gekonnt<br />
übersetzt <strong>und</strong> in Deutschland für ein überwiegend deutsches Publikum auf die<br />
Bühne gebracht. Es ist dies der klassische Transfer, der neben einer Übersetzung<br />
auch die gründliche dramaturgische Recherche einschließt, auf die Schauspieler<br />
ebenso angewiesen sind wie Zuschauer. Je realistischer, je welthaltiger, je gesellschaftlich<br />
konkreter das Stück, desto größer die Herausforderung.<br />
Die Welt zu Gast. Eine Produktion kommt aus dem Herkunftsland, gespielt von<br />
Schauspielern dieses Landes, inszeniert in der ästhetischen Tradition dieses Landes,<br />
zu erleben als Original mit Untertitel. Der besondere Effekt: Neben den deutschen<br />
Zuschauern kommen bei solchen Ereignissen zunehmend auch Menschen, die aus<br />
dem Land der Gäste stammen <strong>und</strong> im Theater so ein Stück Eigenes wiederentdecken.<br />
Um noch einmal Holger Schulze, den Intendanten des Osnabrücker Theaters,<br />
zu zitieren: „Als wir das erste Gastspiel aus Bulgarien zeigten, waren im Zuschauerraum<br />
plötzlich gefühlte zweih<strong>und</strong>ert Bulgaren. Und man merkte, dass die<br />
unser Theater vorher noch nie betreten hatten. Wir haben sie angesprochen <strong>und</strong>